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15. April 2002 | militanten gruppe (mg)

Interim Nummer 550, 09. Mai 2002, Seite 16 bis 22

Für einen revolutionären Aufbauprozess –
Für eine militante Plattform

Mit diesem Text wollen wir die begonnene Debatte um zukünftige Organisierungsmöglichkeiten und inhaltlich-praktische Ausrichtungen militanter und bewaffneter Politik fortsetzen und konkretisieren. In erster Linie ist dieser Text eine Erwiderung auf die Beiträge von (am) in der Interim Nr. 541 und der revolutionaeren aktion carlo giuliani in der Interim Nr. 542.

Wie wir in unserer Anschlagserklärung zum Sozialamt Reinickendorf und dem „Sozial“-Stadtrat Balzer (vgl. Interim Nr. 544, 21.2.02) geschrieben haben, halten wir es für sinnvoll, wenn wir die Debatte zunächst auf einzelne Aspekte militanter und bewaffneter Politik eingrenzen, anstatt gleich mit einen thematischen Potpourri zu beginnen. Wir denken, dass wir über diesen step-by-step-Weg eher zu einer konzentrierten Diskussion und Bearbeitung von Themenfeldern kommen.

Sowohl in euren als auch in unseren Texten fokussiert sich die Ausgangsfrage auf die Potentiale einer Organisierung von militanten Gruppenstrukturen in der BRD. Dieser angestrebte Organisierungsprozeß, ist für uns – und offensichtlich auch für Euch – eine der Grundbedingungen, um zu einem abgestimmten inhaltlich-praktischen Agieren von Militanten zu gelangen. Die GenossInnen von (am) haben in ihrem Beitrag geschrieben, dass eine gruppenübergreifende Vernetzung für sie „einer der zentralen punkte“ ist, aber aufgrund der nicht vorhandenen „generationsübergreifenden, gewachsenen widerstandskultur“ unseres Spektrums die Realisierung einer Koordination von militanten Gruppen unklar sei.

Der Diskussionsbeitrag der revolutionaeren aktion carlo giuliani zielt ganz konkret auf eine derartige Kooperation. Das Ziel ihres Diskussionsanstoßes haben sie klar formuliert, sie „(streben) durch kontinuierliche diskussionen längerfristig gemeinsame stossrichtungen & einen gemeinsamen namen, sprich eine organisierung an“.

Wir wollen mit diesem Text genau diese Frage nach einer militanten Organisierung behandeln und im gleichen Atemzug einen ersten konzeptionellen Entwurf vorlegen, der Euch und uns zu einer gemeinsamen Politik führen kann. Wir denken, dass unsere drei Gruppen einen organisatorischen Grundstock legen können, der der Ausgangspunkt einer breiten Vernetzung auf inhaltlicher und praktischer Basis sein kann.

Wir möchten in den folgenden beiden Abschnitten zum einen auf einige Elemente eines revolutionären Organisierungsprozesses (Inhalt – Praxis – Struktur) eingehen und zum anderen eine Art Plattform-Erklärung für eine potentielle gemeinsame militante Politik vorschlagen, die in unserer gruppen-übergreifenden Diskussion eine für alle tragbare Fassung erhalten soll.

Der Aufhänger des Textes ist zwar die Organisierung militanter Gruppen, die Funktion des Beitrages erschöpft sich darin aber nicht. Da es uns um einen komplexen Aufbauprozeß eines revolutionären Widerstandsnetzes geht, richtet sich dieses Papier an das gesamte Spektrum der radikalen Linken mit ihren vielfältigen Praxisformen und Themenfeldern. Militante Gruppen können – gerade vor dem Hintergrund ihrer organisatorischen und logistischen Schwäche – nicht der allein verantwortliche Faktor für einen Aufbauprozeß sein.

1. Elemente eines Organisierungsprozesses militanter und bewaffneter Politik

Grundsätzlich stehen wir bei der Erörterung einer gemeinsamen Organisierung vor dem Problem, dass wir uns sozusagen „virtuell“ über eine geführte Debatte vernetzen müßten. D.h., wir stellen kein bestehendes strukturelles Netz von militanten Gruppen dar, die über Delegiertentreffen o.ä. in Kontakt zueinander stehen. Bisher haben wir völlig unabhängig voneinander und in verschiedenen Regionen agiert.

Diese beiden Varianten einer potentiellen Organisierung haben wir in unserem Debattenversuch-Papier beschrieben:

„a) Wir befinden uns in einem organisatorischen Zusammenhang von zwei oder mehr militanten Gruppen, was einen direkten Austausch unter den AktivistInnen ermöglicht und eine strukturelle gruppenübergreifende Vernetzung darstellt.

b) Unabhängig voneinander agierende militante Gruppen müssen über gemeinsam geführte Debatten in einer dafür geeigneten Zeitschrift zu einem Positionsabgleich und einer -annäherung kommen. Hierbei handelt es sich dann nicht um eine direkte strukturelle Vernetzung, sondern um ein „informelles“ Zusammenkommen durch Diskussion und gegenseitige Bezugnahme bei Aktionen“ (vgl. Interim Nr. 539, 29.11.2001)

Für uns trifft die zweite Variante zu, sodenn wir wirklich in ein solches Projekt gezielt und mit allen daraus erwachsenen Verbindlichkeiten einsteigen wollen.

Die GenossInnen von der revolutionaeren aktion carlo giuliani haben zwei Eckpunkte für eine praktische Organisierung benannt: die autonom in ihren Städten/Regionen agierenden und verankerten militanten Gruppen stehen über die Erarbeitung einer gemeinsamen Stoßrichtung und der praktischen und namentlichen Kontinuität in einer politischen und ideologischen Beziehung zueinander.

Die Koordinierung der inhaltlich-praktischen Stoßrichtung ist über eine kontinuierliche Diskussion und eine gegenseitige Bezugnahme zu erreichen. Als Diskussionsgrundlage sehen sie ansatzweise die Positionen, die von den GenossInnen von „militant manifesto“ formuliert wurden. Grundsätzlich orientieren sie sich an den RZ-Modell (Aktion – Vermittlung – Verankerung – Vermassung).

Dieses Modell steht – neben einem Ursprungskern von miteinander vernetzten Zellen – für eine Organisierung von nicht-strukturell verbundenen Gruppen. Dabei handelt es sich mehr um ein abgestimmtes Aktionsmodell als um eine inhaltlich ausgereifte Programmatik.

Wir wollen an dieser Stelle nicht auf die Debatte innerhalb des RZ-Zusammenhangs Anfang der 90er Jahre eingehen, die letztlich in keiner produktiven (Neu-)Strukturierung, sondern in einem siechenden Auflösungsprozeß endete. Wir teilen im wesentlichen die Aussagen von „Für eine sozialrevolutionäre und antiimperialistische Befreiungsperspektive!“ (vgl. Interim Nr. 388, 13.9.1996), die die Koordinaten des RZ-Modells für ein Grundmuster für militante und bewaffnete Politik halten, das faktisch keine Erfindung der RZ ist, sondern den Notwendigkeiten eines komplexen Organisierungsprozesses entspricht. „Entscheidend ist die Konkretion dieses Grundmusters militanter Politik: zu fragen ist nach den Themen und gesellschaftlichen Kämpfen, die militant aufgegriffen werden sollen, sowie nach den angewendeten Aktionsmethoden, die eine Aufnahme revolutionärer Politik durch andere anregen und ein Erreichen anderer Kreise begünstigen. Ob dabei das inhaltliche (Diskussion), praktische (Aktion) oder organisatorische (Vernetzung) Moment im Vordergrund steht, ist einerseits Ergebnis der Gesamtsituation der linksradikalen Szene und andererseits Ergebnis der gruppenindividuellen Schwerpunktsetzung“ .

D.h., dass die Relevanz revolutionärer Politik davon abhängt, ob die militanten/ bewaffneten Aktionen durch spektumsinterne und gesamtgesellschaftliche Debatten vermittelbar sind und Organisierungsimpulse antagonistischer Kräfte auslösen und die eigene politische Basis verbreitern. Das sind elementare Aspekte jeder revolutionären Politik und Praxis unabhängig davon, in welcher gesellschaftlichen Situation wir uns befinden.

Wir müßten uns jetzt über die Schrittfolge des anvisierten Organisierungsprozesses verständigen. Oftmals kamen diese Vorhaben über eine isolierte Initiative (siehe das „clandestino“-Papier, vgl. Interim Nr. 502, 18.5.00) zur Debatte nicht hinaus. Grund hierfür sind die Ungleichzeitigkeiten der einzelnen militanten Gruppen, die es verhindern, dass es zu einer zeitgleich geführten kollektiven inhaltlichen Auseinandersetzung kommen konnte. Unser Vorteil ist offensichtlich, dass es unsere Gruppenum- und zustände zulassen, eine solche Debatte real zu führen – die Grundsteine sind mit den jeweiligen Gruppentexten gelegt.

Wenn das also unser Ausgangspunkt ist, sollten wir einige Essentials unter uns klären, damit wir tatsächlich jeweils von den selben Bedingungen eines Organisierungsprozesses ausgehen.

a) Inhalt: inhaltliche Grundlagen und theoretisches Selbstverständnis

Wir gehen – nach dem, was Ihr in Euren Beiträgen formuliert habt – davon aus, dass wir inhaltlich keine temporäre kampagnenorientierte Ein-Punkte-Thematik aufgreifen wollen. Auch eine thematische Einengung auf einen Teilbereichskampf entspricht nicht einem revolutionären Projekt, das sich gesamtgesellschaftlich orientiert. Für einen umfassenden revolutionären Organisierungsprozeß kann nur ein kontinuierlich themenübergreifendes Agieren auf der Grundlage eines sozialrevolutionären und antiimperialistischen Ansatzes in Frage kommen.

D.h. selbstverständlich nicht, dass wir keine punktuellen Kampagnen politisch mittragen oder initiieren, sondern dass wir darin nur eine taktische Komponente sehen und sich unsere Praxis darin nicht erschöpfen kann, konturenlos von einem thematischen Event zum nächsten zu springen.

Unter einem sozialrevolutionären Ansatz ist u.E. der metropolitane Kampf gegen die triple-oppression-Widerspruchslinien (Kapitalismus, Rassismus, Patriarchat) zu verstehen. Sozialrevolutionäre Politik heißt also einen organisierten militanten und bewaffneten Kampf gegen die innergesellschaftlichen Herrschaftsstrukturen zu führen. Unter einem antiimperialistischen Ansatz verstehen wir eine Solidarisierung mit den trikontinentalen Kämpfen gegen die weltweiten Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen (politische, wirtschaftliche, militärische und kulturelle Ebenen des imperialistischen Verhältnisses zwischen Zentren und Peripherien).

Antiimperialistische Politik heißt demnach einen internationalistischen Kampf in den imperialistischen Metropolen und deren Wirtschaftszonen zu führen (BRD/EU, USA/NAFTA, JAPAN/ASEAN) .

Wir müssen eine materialistische Analyse der herrschenden Gesellschaftsformation unternehmen, um unsere inhaltlichen Grundlagen und unser theoretisches Selbstverständnis begrifflich plausibel und vermittelbar zu machen. Einerseits müssen wir zu Definitionen, den Wechselwirkungen und Grenzer. des Erklärungsmusters der triple-oppression-Widerspruchsfelder kommen. Andererseits ist es unerläßlich, dass wir uns mit den verschiedenen und sich z.T. gegenseitig ausschließenden Interpretationen des Imperialismus auseinander setzen, deren Grundlagen für die revolutionäre Linke u.a. von Lenin, Hilferding, Luxemburg oder Mao gelegt wurden. Mit einer Beschäftigung der „klassischen“ Imperialismustheorien ist es allerdings noch lange nicht getan; die in den 70er Jahren stattgefundene dependenztheoretische Debatte (imperialistische Zentren vs. trikontinentale Peripherien) hat ebensoviel an interessantem Material hinterlassen wie die aktuelle „Empire-Diskussion“ von Hardt/Negri neue Denkanstöße liefert.

Diese Dialektik aus einem Sozialrevolutionären und antiimperialistischen Kampf sehen wir als den Weg an, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie). Unser politisch-militärisches Endziel liegt in einem Revolutionsprozeß, in dem eine klassenlose, ausbeutungs- und unterdrückungsfreie Gesellschaftsform erkämpft wird – die kommunistische Weltgesellschaft.

Mittelfristig müssen wir einen gewissen Grad an ideologischem Gleichklang erreichen, da Organisierungsprozesse mit unterschiedlichen weltanschaulichen Vorzeichen logischerweise unterschiedliche Formen annehmen. D.h., dass unsere inhaltlichen, praktischen oder organisatorischen Bezugnahmen auf andere militante und bewaffnete Gruppen nie „ideologiefrei“ sein können, da von diesen Organisationen auch immer aus einem mehr oder weniger akzentuierten Hintergrund heraus gehandelt wird. Es geht nicht darum, jegliche ideologische Vielfalt einzuebnen, sondern ein gemeinsames inhaltlich-theoretisches Selbstverständnis zu entwickeln, das für alle repräsentativ ist.

Für die erste Phase unserer Zusammenarbeit reicht u.E. die Formulierung eines Plattform-Papiers aus, das einige Prämissen zu militanter und bewaffneter Politik zusammenfaßt und Optionen für eine Konkretisierung der Kooperation enthält (siehe unten).

b) Praxis: Aktionspalette und Interventionsformen

Unsere militanten Interventionsmittel und Aktionsformen haben wir ebenso abzustimmen. Dabei müssen wir uns über eine Bandbreite unserer Praxis verständigen. Nach dem bisher von Euch Formulierten gehen wir davon aus, dass alle Aktionsformen unterhalb von politischen Exekutionen zu unserem Arsenal gehören. Demnach hätte unsere Aktionspalette eine maximale Breite, dazu würden sachschadenorientierte militante Praxen (vom wilden Plakatieren bis zu Brand- und Sprengsätzen), personen-schadenorientierte militante Praxen (direkte körperliche Konfrontation wie Verprügeln und Kübeln) und symbolische Politpraxen (Kommunikationsguerilla und „diskursive Dissidenz“) gehören.

Diese hier benannte Vielfalt militanter Aktionstypen weist durchaus eine „formale Hierarchie“ auf, die sich schlichtweg daraus ergibt, dass verschiedene Aktionen unterschiedliche Ressourcen, Erfahrungswerte, technische Fähigkeiten und nicht zuletzt eine niedrigere oder höhere Repression nach sich ziehen. Diese faktische Hierarchie der Mittel wird dadurch relativiert, dass wir alle aufgeführten Aktionsformen als gleichberechtigte Elemente eines militanten Konzeptes definieren; Exekutionen von Entscheidungsträgerinnen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sind sowohl aus logistischer als auch aus repressionstechnischen Gründen erst während einer längeren intensiven Diskussion unter uns zu entscheiden. Nicht zuletzt ist die Methode des bewaffneten Kampfes Ergebnis der strategischen Linie unseres revolutionären Projekts und der Einschätzung der gesamtgesellschaftlichen Voraussetzungen.

Die Erkenntnis der Notwendigkeit einer Bewaffnung unserer Struktur ist der eine Aspekt, die konkrete Aufnahme des bewaffneten Kampfes ein anderer. D.h., dass die Schaffung einer logistischen Basis eines potentiellen bewaffneten Kampfes nicht unmittelbar mit deren Nutzung zusammenfällt. Entscheidend ist allerdings, dass wir diese logistische Basis als einen integralen Bestandteil eines komplexen revolutionären Aufbauprozesses betrachten. Bewaffnete Propaganda und Guerillapolitik sind für sich genommen zunächst auch nur zwei Stadien einer politisch-militärischen Strategie, die noch keinesfalls zu einer Revolutionierung der herrschenden Zustände führen. Das Stellen der sog. Machtfrage gegenüber dem Staatsapparat und seines Militärisch-Industriellen-Komplexes (MIK) bzw. der Prozeß der Machtzersetzung sind erst in der abschließenden Phase der strategischen Linie vorstellbar. In dieser Phase hat die „irreguläre“ bewaffnete Praxis des Guerillakampfes das quantitative und qualitative Niveau erreicht, um in eine „reguläre“ Kriegsführung einer revolutionären Armee überzugehen. Dieser visionäre (für nicht wenige vermutlich auch illusionäre) Ausblick soll nur verdeutlichen, dass eine Debatte um bewaffneten Kampf und deren Propagierung nichts Phantastisches darstellt, sondern „nur“ die ersten Bausteine einer politisch-militärischen Strategie sind.

Unsere Patronenverschickung an Vertretern der NS-Verbrechen relativierenden Stiftungsinitiative des BRD-Kapitals, Lambsdorff und den Stadtrat Balzer verfolgte mehrere propagandistische Ziele. Zum einen soll damit ein Anstoß für eine Diskussion um die Mittel des bewaffneten Kampfes und eine Auseinandersetzung um revolutionäre Organisationen innerhalb der radikalen Linken erfolgen. Diese Intention werden wir in nächster Zeit noch verstärken. Zum anderen geht es uns um einen Perspektivwechsel bezüglich unserer Angriffsziele, wir müssen neben anonymen Institutionen die real verantwortlichen Personenkreise der kapitalistischen und imperialistischen Ausbeutungs- und Unterdrückungsstrukturen ins Visier unserer Politik nehmen.

c) Organisierung: gruppenspezifischer und widerstandsebenenübergreifender Strukturaufbau

Nach einer inhaltlichen und praktischen Kurzbestimmung einer potentiellen gemeinsamen militanten Politik müssen einige strukturelle Aspekte besprochen werden.

In unserem Debattenversuch haben wir dazu folgendes geschrieben: „Militante Gruppen sind in erster Linie (...) der aktionistische Arm von (legalen) Basisprozessen, quasi ein „Basisanhängsel“, das den Part der bewußten (strafrechtlichen) Grenzüberschreitung übernimmt. Militante Strukturen waren zu Zeiten der Stadtguerilla eine Art von organisatorischem Verbindungsstück zwischen Basis und Guerilla. In beiden Fällen wären wir als militante Gruppen in. weiten Teilen politisch „unselbständig“, immer abhängig von oftmals unkalkulierbaren Basisprozessen oder den programmatischen Veränderungen der Guerilla.

Unserer Ansicht nach muß es darum gehen, als militante Gruppen zu einem eigenständigen Faktor zu werden, zu einer eigenständigen Widerstandsebene mit einer definierten politischen Ausrichtung in einem komplexen Organisierungsprozeß. Dieser Organisierungsprozeß muß alle Widerstandsebenen (Bewegung, militante Gruppen, Guerilla, revolutionäre Parteistruktur) beinhalten.“

Wenn wir versuchen, militante Gruppen als eine eigenständige Komponente innerhalb einer widerstandsebenenübergreifenden Struktur zu etablieren, so kommt uns die Aufgabe zu, nicht nur Teilbereichskämpfe militant zu „kommentieren“, sie zu flankieren, sondern eine inhaltlich-praktisch orientierende und Themen initiierende Rolle einzunehmen. Wenn wir von militanten Gruppen als einer eigenständigen Widerstandsebene innerhalb eines inhaltlichen, praktischen und strukturellen Organisationsgeflecht reden, dann können diese nicht auf eine „Vorform“ der Guerilla reduziert werden. Militante Gruppen können auch nicht einzig als „Durchlauferhitzer“ für künftige GuerillaaktivstInnen fungieren.

Genau dieser lineare Automatismus von der Aktivität in einer Basisinitiative über militante Zusammenhänge bis zur Guerilla ist in einem solchen Widerstandskonzept nicht vorgesehen. Jede Widerstandsebene hat seinen eigenen Charakter und interagiert mit den anderen Ebenen, um eine schlagkräftige revolutionäre Gesamtorganisation zu entwickeln.

Dennoch bewegen sich die militanten Gruppen in dem hier vorgestellten Komponenten-Modell zwischen legalen Basisstrukturen und der aus der Illegalität agierenden Guerilla. Da dieses Modell lediglich am Reißbrett existiert, würden auf uns als militante Gruppen Zusatzaufgaben in alle Richtungen zukommen. Wir wären sowohl dafür verantwortlich, dass mittelfristig die logistischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine bewaffnete Propaganda einer Guerilla geschaffen werden, als auch dafür, dass innerhalb der radikalen Linken unsere Positionen vermittelt und dieses Konzept gesamtgesellschaftlich popularisiert werden. D.h., dass ein Teil unserer Politik als militante Gruppen in der Stärkung der Basisarbeit liegt.

Die Perspektive dieses Organisierungsprozesses liegt in dem systematischen Aufbau eines Widerstandnetzwerkes, das allerdings erst in einer langfristig angelegten Debatte unter uns praktische Gestalt annehmen, kann. Wir müßten uns, wenn die von uns unterbreitete Definition militanter Gruppen und ihre Funktionen in wesentlichen Zügen von Euch geteilt werden, mit den verschiedenen Konzeptionen des Aufbaus einer revolutionären Organisation und Aufstandsmodellen befassen und deren Potentiale und Defizite für kontinentaleuropäische sozio-ökonomische Verhältnisse untersuchen.

Dabei müssen wir analysieren, ob die in der BRD entwickelten Konzepte (RAF, RZ, AIZ, Bewegung 2. Juni) für ein von uns favorisiertes widerstandsebenenübergreifendes Konzept inhaltlich, praktisch und organisatorisch unter den aktuellen Bedingungen tauglich sind oder nicht. Selbst die hier entwickelten Ansätze variieren stark (sozialrevolutionäre Basisguerilla, antiimperialistische Metropolenguerilla, Versuche einer Fabrikguerilla). Es ist natürlich durchaus möglich, Elemente aus verschiedenen Modellen zu ziehen, die in der BRD ihre Umsetzungsversuche fanden und die für uns in ihrer Neuzusammensetzung eine Perspektive darstellen.

Doch unsere Aufgabe ist noch um einiges umfangreicher, da sich auch die ehemaligen bewaffneten Gruppen der BRD von Konzeptionen historischer antikolonialer Befreiungskämpfe (Giaps Volkskriegsstrategie des Vietminh, Maos Guerillakampflehre) und Strukturen revolutionärer Organisationen bspw. aus Lateinamerika (Marighelas Stadtguerillakonzept der ALN in Brasilien oder der Tupamaros in Uruguay) leiten ließen, müssen wir sozusagen den theoretischen und praktischen Ursprüngen des revolutionären Kampfes folgen. Darüber hinaus müssen wir uns, um unseren Überblick über die militär- und guerillatheoretischen Beiträge zu komplettieren, die Schriften der Klassiker des Kommunismus (bspw. Lenins Aufstandstheorie in „Der Partisanenkrieg“ oder Luxemburgs Milizmodell in „Sozialreform oder Revolution?“) aneignen, oder auch anarchistische Theoretiker der „Propaganda der Tat“ der russischen Narodniki oder Johann Most diskutieren.

Was den Aufbau einer revolutionären Organisation angeht, müssen wir u.E. auch auf Debatten eingehen, die in einigen zeitlichen Abständen von bewaffneten Gruppen in Westeuropa geführt werden, die sich als revolutionäre kommunistische Parteien konstituiert haben bzw. sich in diese Richtung formieren wollen. Auch in der Türkei und Kurdistan ist dieses Modell für RevolutionärInnen offensichtlich probat.

Es wäre fahrlässig, eine Auseinandersetzung deswegen zu blockieren, weil der Begriff „Partei“ körperliche Beschwerden („Magenschmerzen“) auslöst. Es ist hoffentlich einsichtig, dass die Debatte um revolutionäre Organisationen, die sich die Struktur einer Partei gegeben haben, nicht nach medizinischen Aspekten zu behandeln ist, sondern einzig danach, ob dadurch eine Stärkung antagonistischer Kräfte erfolgt oder nicht. Denn wir reden hier über Organisationen, die z.T. über eine jahrzehntelange Praxis verfügen, wie die PCE(r)/Grapo im spanischen Staat oder die BR/PCC in Italien. Auch die Mehrzahl der bewaffneten Organisationen, die in der Türkei aktuell den längsten Hungerstreik in der Geschichte der weltweiten revolutionären Linken mit einem enormen Kampfgeist und mit einer hohen Zahl an gefallenen GenossInnen führen, haben Parteigründungsprozesse hinter sich.

2. Plattform-Erklärung militanter Gruppenzusammenhänge

Wie weiter oben erwähnt, schlagen wir für unsere erste Etappe der Kooperation eine Erklärung vor, die keine ausformulierte programmatische Konzeption ist, sondern einige Prämissen zu militanter und bewaffneter Politik und deren Organisierung beinhaltet. Zudem ist die Erklärung ausdrücklich ein Appell, andere militante Zusammenhänge können diesen unterstützen und sich im Rahmen dieser Prämissen organisieren. Alle, die sich an diesem Projekt beteiligen wollen, sind für den Auf- und Ausbau desselben verantwortlich. Diese Erklärung müßte in den nächsten Wochen von allen, die sich dieser anschließen wollen, ergänzt werden, sodaß wir dann zu einer Beschlußfassung kommen, Maßstab für eine solche Erklärung ist nicht ihre Länge und Komplexität, sondern ihre Prägnanz, d.h. gebunden Grundsätze für die Organisierung einer revolutionären Praxis auf den Punkt zu bringen.

Diese Plattform bleibt inhaltlich „unterhalb“ des Papiers von militant manifesto. Dies ist gewollt, da wir vor einer etwas umfangreicheren Positionierung die politischen Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten müssen. Weitergehende Überlegungen haben wir oben angerissen, damit unsere Ansätze, die sich in ihrer Substanz nicht wesentlich von Euren zu unterscheiden scheinen, etwas deutlicher werden.

Für die erste Etappe unserer Organisierung schlagen wir vor, dass die militanten Gruppen dieser Plattform ihre Erklärungen und Texte unter ihrem bisherigen Gruppennamen und einem Zusatz, der die Plattform repräsentiert, veröffentlichen. Über diese Zusatzbezeichnung müssen wir uns verständigen. Sie sollte den Organisierungsprozeß, den wir anstreben, dokumentieren. Eine Bezeichnung. unserer Koordination könnte folgendermaßen lauten: „Gruppe xyz für eine revolutionäre Perspektive“.

In dieser Etappe wären wir einerseits als Gruppen weiterhin individualisierbar, andererseits stellen wir uns erkennbar in einen koordinatorischen Rahmen, der im Verlauf der weiteren Organisierung weitergehende Formen annehmen kann. Für uns sind sowohl unser aktuelles Gruppensignet als auch die von uns vorgeschlagene Zusatzbezeichnung lediglich Provisorien, die ihre Gültigkeit jeweils für eine bestimmbare Phase haben. Diese Namensgebungen sind also reine Arbeitstitel, an denen wir nicht des Prestiges wegen hängen. Wir können uns perspektivisch sehr gut vorstellen, in unserem Organisierungsprozeß in einer einheitlichen Namensgebung aufzugehen.

Wir haben mit diesem Text versucht, die Organisierungsinitiative der revolutionaeren aktion carlo giuliani aufzugreifen und hoffen, einen Beitrag für eine strategische Diskussion geleistet zu haben, wie sie den GenossInnen von (am) vorschwebt.

Die „Proklamation“ einer militanten Plattform ist für RevolutionärInnen in der BRD offensichtlich ein Novum. In anderen Ländern sind solche Kooperationsprozesse eigenständiger Gruppen oder Organisationen eine gängige Praxis. Für uns ergibt sich die Plattform-Idee aus Euren Papieren und sie folgt der Logik, den sich im Anfangsstadium befindlichen gemeinsamen Diskussions- und potentiellen Aktionsrahmen zu festigen. Durch seinen offenen Charakter und der sich daraus ergebenen Teilnahmemöglichkeit anderer klandestiner Zusammenhänge der revolutionären Linken kann sich dieser Rahmen sukzessive erweitern. Bedingung für die Organisierung innerhalb der militanten Plattform wäre dann, die dort formulierten Prämissen zu akzeptieren und in diesem Sinne politisch zu agieren. Wir bitten Euch zu diskutieren, ob Ihr zum einen die Plattform-Idee unterstützt und dann intensiv tragt, und zum anderen, ob Ihr die von uns formulierten 5 Prämissen als eine Grundlage für eine gemeinsame militante Initiative betrachtet.

Militante Plattform

1) Diese Plattform ist in erster Linie ein Diskussions- und Aktionsrahmen militanter Gruppenstrukturen. Diese Plattform ist des weiteren praxisunabhängig für alle revolutionären Gruppen, Organisationen und Bewegungen offen, die einen sozialrevolutionären und antiimperialistischen Kampf auf kommunistischer oder anarchistischer Grundlage führen.

Sozialrevolutionäre Politik in den Metropolen richtet sich gegen das Unterdrückungs- und Ausbeutungsgeflecht aus kapitalistischen, rassistischen und patriarchalen Strukturen. Antiimperialistische Politik in den Metropolen ist eine explizite internationalistische Solidarität mit den trikontinentalen Befreiungskämpfen gegen die imperialistische Unklammerung auf politischer, wirtschaftlicher, militärischer und kultureller Ebene. Soziale Revolution und Antiimperialismus stellen keine gegensätzlichen Pole dar, sondern ergeben in ihrer dialektischen Zusammenführung einen universalistischen, auf die weltweiten Herrschaftsstrukturen gerichteten Ansatz.

Wir müssen im Rahmen unserer Kooperation zu einer gemeinsam formulierten klassenanalytischen und (anti‑)imperialismustheoretischen Handlungsgrundlage kommen, um das, was wir anzugreifen haben auch begrifflich fassen zu können und für andere vermittelbar zu machen. Unser Ziel ist eine klassenlose, ausbeutungs- und unterdrückungsfreie Gesellschaft.

Für eine sozialrevolutionäre und antiimperialistische Befreiungsperspektive weltweit!

2) Der herrschenden staatlichen Gewalt haben wir das befreiende revolutionäre Widerstandsrecht entgegenzusetzen. Wir als RevolutionärInnen haben gewaltförmige gesellschaftliche Zustände nicht erfunden, sondern vorgefunden. Die Inanspruchnahme dieses Widerstandsrechts zielt nicht auf die Verewigung dieser gewaltförmigen Zustände, sie zielt im Gegenteil auf die Beseitigung aller Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse. Es vollzieht sich aktuell eine massive innen- und außenpolitische Militarisierung, der sozialtechnokratische Angriff nach innen korrespondiert mit der Kriegsökonomie nach außen. Den reibunglosen reaktionären Durchmarsch können wir nur durchkreuzen, wenn wir durch unsere antagonistische Praxis im alltäglichen Leben zu einem kollektiven revolutionären Subjekt werden.

Die Propagierung revolutionärer Gewalt wird unsererseits nicht idealisiert, sie ist ein Mittel, um eine befreite und klassenlose Gesellschaftsform konsequent zu erkämpfen. Das staatliche Gewaltmonopol dient der Herrschaftssicherung und -legitimierung; es wird von uns durch einen organisierten Klassenkampf von unten unterminiert.

Für das revolutionäre Widerstandsrecht als legitime Antwort auf die herrschende Ausbeutung und Unterdrückung!

3) Eine militante und bewaffnete Praxis sind integrale Bestandteile eines revolutionären Konzepts, sie sind eingebettet in einer widerstandsebenenübergreifenden Struktur. Ein revolutionärer Aufbauprozeß hat viele Facetten, die erst in ihrer Interaktion zu ihrer vollen Wirksamkeit kommen. Dieser angestrebte Aufbauprozeß eines Widerstandsnetzes der revolutionären Linken ist als ein langfristiges und etappenreiches Projekt angelegt; schnelle und für alle meßbare Erfolge wird es zu Beginn unserer gemeinsamen militanten Praxis aufgrund unserer organisatorischen Defizite nicht geben können. Erst die Kontinuität unseres Projekts wird Auskunft über die Richtigkeit unseres Weges geben.

Die Geschichte der revolutionären Linken hat gezeigt, dass uns nicht nur der herrschende Staatsapparat die Legitimität klandestiner Praxen abspricht, auch der Reformismus und Legalismus innerhalb der „Linken“ hat sich immer wieder als unser politischer Gegner erwiesen. In einer Klassengesellschaft auf militante und bewaffnete Kampfformen zu verzichten, ist gleichbedeutend mit der Kapitulation vor den herrschenden Verhältnissen. Keine vorauseilende Selbstentwaffnung, sondern eine zielgerichtete und verantwortungsvolle Anwendung von militanten und bewaffneten Aktionsformen ist unser Grundsatz.

Für die Anerkennung einer militanten und bewaffneten Praxis als Teil eines revolutionären Konzepts!

4) Als revolutionäre AktivistInnen agieren wir nicht im luftleeren politischen Raum. Wir befinden uns in einer langen Geschichts- und Kontinuitätslinie von permanenten Klassen-, Frauen- und MigrantInnenkämpfen, emanzipatorischen Volksaufständen sowie weltweiten Revolutionsprozessen. All diese Kämpfe haben uns einen Reichtum an theoretischen Analysen, praktischen Erfahrungen, organisatorischen Konzepten, politischen Erfolgen und lehrreichen Niederlagen hinterlassen. Vor diesem Hintergrund und auf der Basis dieser unserer wechselvollen und mit Brüchen versehenen Geschichte mobilisieren wir für unsere heutigen und zukünftigen Anläufe einer revolutionären Umwälzung. Die revolutionären Organisationen und Bewegungen in allen Winkeln der Welt haben ein politisches und ideologisches Fundament gelegt, auf dem wir aufbauen müssen, um in einer kritischen Auseinandersetzung direkte Anknüpfungspunkte und Verbindungslinien zu ihnen herstellen zu können.

Dieser von uns reflektiert fortgesetzte Kampfprozeß wird in seinen Phasen auf unterschiedliche staatliche Repressionsmaßnahmen stoßen, politische Gefangenschaft, (Isolations-) Folter und der Mord an GenossInnen sind Teil der Counterinsurgency-Politik. Wir sehen es als unsere Verpflichtung an, die Vision unserer getöteten GenossInnen von einem kollektiven und egalitären Leben zu unserer zu machen und ihnen in unseren Kämpfen immer einen Platz zu geben.

Für ein revolutionäres Geschichtsbewußtsein und die Integration in eine widerständige Kontinuitätslinie!

5) Diese Plattform-Erklärung ist die erste Etappe eines angestrebten Organisierungsprozesses militanter und potentiell bewaffneter Gruppen. Unser Ziel ist es, dass militante Gruppen zu einem eigenständigen Faktor innerhalb eines widerstandsebenübergreifenden Netzwerkes der revolutionären Linken werden. Darüber hinaus kommt diesen Gruppen eine dreifache Aufgabe zu: Die linke Basispolitik ist unsererseits zu unterstützen, indem wir u.a. mit Beiträgen in aktuelle Mobilisierungen eingreifen und vermitteln, dass das Netzwerk nur über den Weg der gegenseitigen Bezugnahme Gestalt annehmen kann. Wir müssen uns Kommunikations- und Aktionsformen aneignen, die uns einen Zugang zu gesellschaftlichen Sektoren ermöglichen, die aufgrund ihrer klassistischen, rassistischen und patriarchalen Unterdrückungssituation marginalisiert werden und weitgehend ignoriert von uns tagtäglich opponieren. Eine weitere zentrale Aufgabe für uns ist es, die logistischen Voraussetzungen für die bewaffnete Propaganda einer Guerilla in den imperialistischen Zentren zu schaffen und eine politisch-historische Auseinandersetzung um die Methode des bewaffneten Kampfes zu beginnen.

Mit dieser Erklärung ist ein erster Diskussions- und Aktionsrahmen geschaffen, der von den beteiligten Gruppen und allen, die sich unter diesem Dach organisieren wollen, für ihre Politik genutzt und weiterentwickelt werden kann. Diese Erklärung liefert den Grundstock für die Ausarbeitung einer späteren programmatischen Konzeption.

Dieses von den Plattform-Gruppen initiierte Projekt kann nur an Stärke und Breite gewinnen, wenn es aktiv von der radikalen Linken unterstützt wird sowie eine Ausstrahlungskraft in marginalisierte gesellschaftliche Kreise besitzt. Diese Plattform dient nicht für irgendwelche Projektionen, wir begreifen uns nicht als der aktionistische Arm der radikalen Linken. Unsere Intention ist ein komplexer organisatorischer Aufbauprozeß von revolutionärem Widerstand, dessen Fortschritte von allen abhängen, die sich diesem Projekt verbunden fühlen.

Für den Aufbau einer militanten Plattform!

Kurzer Nachtrag zur militanten Aktion gegen das Sozialamt Berlin-Reinickendorf und den Sozialstadtrat Frank Balzer

Unsere Aktion vom 5. Februar 2002, die exemplarisch eine lokale Institution und deren Protagonisten des Sozialamtsterrors herausgriff, hat eine breite mediale Beachtung gefunden. Paradox dabei ist, dass die materielle Wirksamkeit der Aktion in einem umgekehrten Verhältnis zu ihrer Medienpräsenz steht. Diese Medienpräsenz läßt sich auf mehrere Faktoren zurückführen: Diese Aktion stand in einer praktischen und organisatorischen Kontinuität, sie war auf eine Person in seiner Funktion als Sozialstadtrat zentriert, sie griff eine vorangegangene Aktion gegen Balzer auf, sie war und ist Teil einer gesamtgesellschaftlichen Debatte und wir haben durch eine umfassende Pressearbeit die häufig anzutreffende Medienignoranz durchbrechen können.

Zwei Aspekte wollen wir kurz gesondert erwähnen:

a) Praktisches Ziel der Aktion war der Fachbereich des Sozialamtes, der explizit für die sozialtechnokratische Repression gegen die sozial Deklassierten steht (hier werden u.a. Strafanzeigen wegen „Sozialmißbrauch“ gefertigt). Leider konnte dieses Vorhaben aufgrund falscher Einschätzung der Beschaffenheit der elastischen Plastikfenster nicht wie geplant umgesetzt werden. Mit dem unzulänglichen Werkzeug war es uns nicht möglich, Zugang zu den Kellerräumen zu erhalten und den scharfen Brandsatz zu plazieren. Da in den Räumen des Bezirksamtes mindestens zwei Wachleute anwesend waren, wollten wir eine weitere längere Geräuschkulisse nicht riskieren. Deshalb wurde der Brandsatz am Eingang des besagten Fachbereichs abgelegt, wo er keinen größeren Sachschaden anrichtete.

In mehreren Presseveröffentlichungen (u.a. TSP, 9.2.02, Berliner Kurier, 8.2.02, Berliner Ztg., 14.2.02) wird uns auch die militante Aktion gegen Balzer vom Januar 2000 (vgl., Interim, Nr. 493, 10.2.00) zugeschrieben, auf die wir uns allerdings nur inhaltlich und praktisch bezogen haben. Wir haben also nur an ein Themenfeld angedockt, dessen Brisanz bereits zwei Jahre vor uns von GenossInnen erkannt wurde.

Die gegenseitige Bezugnahme und das Aufgreifen von Aktionen und Inhalten anderer gehört für uns zu einer wesentlichen Säule, um zukünftig koordinierte und gruppenübergreifende militante Initiativen zu starten. Uns ist klar, dass von Staatsschutzseite versucht wird, verschiedene über Jahre auseinanderliegende militante Aktionen auf das Konto einer Gruppe zu addieren. Doch der Sinn unserer militanten Kontinuität ist, dass wir uns nur zu jenen Aktionen bekennen, für deren Vorbereitung und Durchführung wir auch tatsächlich verantwortlich sind.

Kämpferische und solidarische Grüße an unsere GenossInnen von (am) und der revolutionären aktion carlo giuliani – wir hören voneinander! Für einen roten und revolutionären 1. Mai!

militante gruppe (mg), 15.04.2002