Erklärung zum Debattenversuch
der militanten gruppe (mg)
Weil es inzwischen selten Reaktionen zu Texten aus diesem speziellen Bereich gibt, waren wir erfreut über eure Analyse. Vielem was ihr sagt, können wir zustimmen. auf einiges wollen wir näher eingehen: zu dem Problem der Vermassung militanter Angriffe und der grundsätzlichen Frage von Kampagnenpolitik bietet sich als elendes Beispiel die Expo an. Obwohl linksradikale Jahre Zeit hatten, sich auf dieses Ereignis vorzubereiten, gelang es nicht Widerstand zu organisieren und die Expo überhaupt als kritikwürdige Veranstaltung in die öffentliche Meinung zu bringen. Auch in der Hoffnung ein breites Losschlagen auf Expoprojekte anzuschieben, wurde im Februar 2000 der Wagen des Landesexpobeauftragten angezündet. Dabei hätte uns klar sein müssen, dass, wenn schon nicht die Nato-Massaker an der jugoslawischen Bevölkerung zu einer emotionalen Reaktion linker Zusammenhänge führten, die Expo es erst recht nicht schafft.
Ihr schreibt: „Ihr müßt euch selbst fragen lassen, ob ihr in den Jahren eurer militanten Aktivitäten erkennbar und ausdrücklich zu den Inhalten und Praxen anderer Gruppen Verbindungslinien hergestellt und diese für die radikale Linke diskutiert habt.“ Einige von uns haben in der Interim 501 auf den “Runden Tisch der militanten“ geantwortet, worauf aber keine öffentliche Reaktion folgte. wozu sich noch weiter aus dem Fenster lehnen? dachten wir uns.
Euren Aussagen über den Resonanzboden unserer Politik müssen wir verschärft zustimmen. Von der „autistischen Szene“ gibt es kaum Versuche, Teile der “Normalbevölkerung“ in den Kampf gegen das System einzubinden. Mobilisierungen richten sich immer nur an den eigenen Kern, die Straßen in denen für Demos plakatiert wird schrumpfen ständig zusammen, immer mehr frisch gestrichene wände warten auf gesprühte Parolen, viele Demos sind durch ritualisierte Schlappheit von der beabsichtigten Wirkung weit entfernt. Es gibt in Berlin einen Haufen Leute, die gegen Nazis, Castortransporte oder Arbeitsterror sind, aber weder die Interim noch andere unserer Strukturen kennen. diese Menschen. Sie werden auch nicht im Internet nach Zugang zu unseren Aktivitäten suchen; wir müssen sie anders erreichen. Linksradikale müssen auf Menschen außerhalb der Szene zugehen, nicht umgekehrt! Wir sind durchaus für eine Präsenz im Internet, wie in allen gesellschaftlichen Bereichen auch, dürfen das aber nicht überbewerten. Die Leute die viel vorm Computer sitzen, sind nicht unbedingt die gleichen, die nachts zum kaputtmachen losziehen. aus Sicherheitsgründen zweifeln wir das Internet als geeignetes Diskussionsforum klandestiner Gruppen an.
Die von euch angesprochene gruppenübergreifende Vernetzung ist für uns einer der zentralen Punkte um die Wirkung unserer Aktionen zu stärken. Wir wissen nicht wie das funktionieren kann. Unser Spektrum kennt keine generationsübergreifende, gewachsene Widerstandskultur, sondern nur Kerne die alle paar Jahre auseinander fliegen und sich neu zusammensetzen. vielleicht können aber die Gruppen, die aktuell die militanten Aktionen mittragen, ihre strategischen Erwartungen öffentlich machen?
An dieser Stelle wollen wir mal kurz das Ende der in den 80ern praktizierten Politik reflektieren. Wir glauben dass viele, die in bewegungsstarken Zeiten den Kampf aufgenommen haben, leider als Motivation die Hoffnung auf Erfolg hatten. Das ist zwar nachvollziehbar aber viele hatten sich einfach verbraucht, als die „sozialistischen“ Staaten zusammenbrachen, das drückt sich z.b. in dem text „Milis Tanz...“ von den Zoras aus, der im Dezember 93 ja grade kein Auflösungspapier war. Danach haben sie es noch einmal krachen lassen, dann war Schluss. Wir verstehen nicht warum die Leute, die sich aus dem bewaffneten Kampf zurückgezogen haben, nicht ihre Logistik an andere/jüngere übergeben haben, die bereit waren sich ihrer zu bedienen. wie sonst konnte bei einem wie Tarek Mousli der angebliche rz-Sprengstoff aus dem Keller geklaut werden?
Seitdem hat der Staat weiter aufgerüstet, während sich autonome Gruppen meistens mit dem abfackeln von Autos zufrieden geben. Wie ihr schon gesagt habt flackert eine Debatte um die Wahl der Mittel periodisch auf. Vor 10 Jahren gab es intensive Diskussionen über Aktions- und Organisierungsformen. Es folgte die erfolgreiche nolympia-kampagne und die kgk Aktionen, die wir (im Gegensatz zu vielen anderen) sehr gut fanden. Trotzdem fängt militante Politik ständig wieder bei null an. Mit alten Bastelanleitungen lässt sich kein Böller mehr bauen, wer im Gartencenter nach unkraut-ex sucht weiß das. Ob es überhaupt richtig ist, Böller zu bauen und vermutlich wäre das wöchentliche Entglasen von Banken wirkungsvoller, als wenn wir einmal im Jahr was sprengen. zunächst wäre also die Verbreitung von technischen Kenntnissen (ohne zwang zum Expertentum) nötig. das meinten wir mit dem von euch unter 3.) zitierten Satz.
Übrigens konnten wir die Kritik an eurer Patronenverschickung auch nicht verstehen. Lambsdorff hat zuerst zur Waffe gegriffen, statt zu desertieren hing er noch kurz vor Kriegsende so sehr an seinem „Führereid“, dass er sich bereitwillig ein Bein abschießen ließ. Eure Aktion gegen Holocaust-Profiteure war völlig angemessen, wenn das kurz nach der Anti-Siemens Aktion vom 3.10.2000 der „gruppe jezy tabeau“ gelaufen wäre, hätten wir auch noch was dazu gemacht.
Wir sind auch dafür, die persönliche Verantwortung von Herrschaft stärker zu berücksichtigen. Der Abschuss des Brechmittelmörders Schill in Hamburg z.b. würde sicher nicht nur bei vielen ein Gefühl von Befreiung, sondern auch eine reale Politikverhinderung bedeuten. Wir bezweifeln aber, das unsere schwachen Strukturen der folgenden Repression standhalten würden.
Wir wissen nicht, ob unsere Politik jemals zu den von euch angesprochenen „materiellen Veränderungen“ führt. vielleicht wird irgendein Afrikaner nicht getötet, weil seine potentiellen Mörder zufällig vorher von einem Antifa-Kommando zusammengeschlagen wurden. Vielleicht werden irgendwann die reichen Schweine aus „unseren“ Stadtvierteln flüchten, weil sie Angst um ihr Eigentum haben. Vielleicht machen wir Atomenergie zu einem Verlustgeschäft. Um überhaupt zu einem gesellschaftlichen Faktor zu werden, müssen wir attraktive Bilder schaffen, wie z.b. Genua oder Nazi-Demo am 1.12. Die Empörung über unsere „Zerstörungswut“ und die sichtbare Existenz von Widerstand, kann Unterdrückte zu neuen MitstreiterInnen machen.
Davon können zwar leider nicht Aufstände wie aktuell in Argentinien ausgelöst werden, aber eines unserer Ziele ist schließlich einen Keil zwischen Bevölkerung und Staat zu treiben. Zu überlegen wäre auch, ob der bestimmt irgendwann anstehende Besuch des US-Henkerpräsidenten Bush, nicht zu einem schlechten Tag für Berlin werden soll, oder ob wir am 1. Mai nicht nur in Kreuzberg Bullen niedermachen, sondern auch die Verwüstung in die Prestigeviertel der „neuen Mitte“ tragen wollen.
Zum Schluss wollen wir noch etwas zu der Firma Gegenbauer/Bosse sagen. Dieser Konzern bietet alles was das Kapitalistenherz begehrt: brutale Wachschutzidioten, Putzkolonnen, Blockwarte ... ob sie immer noch an der Belieferung von Flüchtlingsheimen verdienen wissen wir nicht. Die Bundeswehr soll durch die Auslagerung von Tätigkeiten an Privatfirmen effizienter werden. Gegenbauer/Bosse übernimmt dabei die Uniformreinigung. Gegenbauer persönlich hat sich als IHK-Bonze für eine erneute Olympiakandidatur eingesetzt. Das waren für uns genug Gründe am 25.12.01 einen Transporter von Gegenbauer/Bosse am Arnimplatz anzuzünden.
Als Beitrag für eine künftige militante Offensive, wie ihr es ausdrückt, würden wir uns technischen Tipps und strategischen Diskussionen niemals verschließen.
Auch über die vor kurzem in Sorauer- und Oppelnerstr. abgebrannten Luxuswagen haben wir uns gefreut. Weiter so!
autonome miliz, Januar 2002