mg-express no.5
Infos zu klandestiner Politik
Heraus zum 18. März!
Mit dieser Ausgabe unseres Blättchens wollen wir die Aktivitäten zum 18.März 2007 aufgreifen. Dieser Tag hat eine lange kämpferische Tradition innerhalb der pauperisierten Unterklassen und proletarischen Bewegungen, als Tag der Pariser Kommune 1871 oder aber – und das bildet für uns den Hauptanlass – als Tag der Solidarität mit unseren Gefangenen aus der revolutionären Linken weltweit.
Dieser so charakterisierte Tag geht auf eine Initiative der internationalen Roten Hilfe (IRH) (1922-1943) zurück, die infolge eines Beschlusses des 4.Weltkongresses der Kommunistischen Internationale (3. Internationale) 1922 gegründet wurde. Zu den Vorsitzenden der IRH zählten unter anderem der polnisch-deutsche Kommunist und Mitbegründer der KPD (Spartakusbund), Julian Marchlewski (auch Karski genannt), und Clara Zetkin, die unermüdliche Vorkämpferin für proletarische Frauenrechte und gegen imperialistische Kriege.
Vor einigen Jahren wurde dieser Tag von Antirepressionskomitees und Unterstützungsgruppen für revolutionäre Gefangenen etabliert. Seitdem gibt es Jahr für Jahr eine Vielzahl von Veranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen in verschiedenen Städten in der BRD mit z.T. internationaler Beteiligung. Da wir im Rahmen eines komplexen revolutionären Aufbauprozesses die gegenseitige Bezugnahme und Wechselwirkung innerhalb der revolutionären Linken seit unsrem Bestehen als militante gruppe (mg) hervorgehoben haben, ist es für uns eine politische Selbstverständlichkeit, im Kontext dieses Kampftages unseren Beitrag einzubringen. Dieser mg express enthält einige erläuternde Absätze zu unserem militanten Angriff, aber auch einige allgemeine Sätze zu revolutionären Gefangenen und der Politik der revolutionären Linken.
Zu unserer militanten Aktion im Rahmen des 18. März 2007
In der Nacht zum 16.03.2007 haben wir den Bürokomplex am Märkischen Ufer 28 in Berlin-Mitte, in dem sich jeweils die BRD-Zweigstellen des türkischen Industriellen- und Unternehmerverbandes TÜSIAD und der italienischen Handelskammer befinden, militant angegriffen. Wir haben den Eingangsbereichs des Gebäudes in Brand gesetzt, Farbeier an die Fassade geworfen und Parolen an den Wänden hinterlassen, die Bezug nehmen auf den 18.März, den internationalen Kampftag für alle revolutionären politischen Gefangenen und Verfolgten, wie er von der IRH bezeichnet wurde.
Wir nehmen den 18. März 2007 konkret zum Anlass, um den 122 (!!!) gefallenen GenossInnen aus verschiedenen revolutionären Organisationen und Solidaritätskomitees (DHKP-C, MKP, TKEP-L, TAYAD u.a.) in der Türkei/Nordkurdistan zu gedenken, die im weltweit längsten Gefangenenkampf (Oktober 2000 bis Januar 2007), dem unbegrenzten Hungerstreik in der Form eines sog. Todesfasten, gegen die Einführung der Isolationsfolter (sog. F-Typen) ihr Leben verloren. Bei der Errichtung der türkischen F-Typ-Knäste stand die BRD mit ihrem Köln-Ossendorf und Stuttgart-Stammheim-Modell Pate.
Des weiteren ist dieser Tag für uns Anlass, den italienischen GenossInnen ein internationalistisches Solidaritätssignal zu übersenden, die Mitte Februar dieses Jahres in einer landesweiten staatlichen Counteraktion als vermeintliche Angehörige der politico-militar de la Construczione Partido Communista (Aufbau der kommunistischen Partei- politisch-militärisch) festgenommen wurden. Hiermit richten wir zugleich solidarische an die gefangenen GenossInnen aus den Roten Brigaden/Aufbau für die kämpfenden kommunistische Partei (BR/PCC).
Die Repräsentanzen der Kapitalfraktionen des türkischen und italienischen Staats haben eine lange konterrevolutionäre Tradition. Das Kapital der türkischen Republik ist durch seine direkte Verwicklung in militärische Putsche (Türkei 1971 und 1980) bekannt, bei denen Tausende GenossInnen inhaftiert, in den Folterkellern des MIT (türkischer Geheimdienst) ermordet wurden oder exilieren mussten. Das Italien durchziehende mafiose Logensystem, ein Konglomerat aus erzkonservativen und faschistischen Spitzenvertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, hat sich seit den erfolgreichen antifaschistischen Partisanenkämpfen und dem Sturz Mussolinis massiv gegen eine linke Gesellschaftsentwicklung durch regelmäßige Eingriffe in den Staatsapparat und Verfolgung der „Strategie der Spannung“ gestemmt. Mit dieser „Strategie“ sollte ein chaotisches Gesellschaftsklima erzeugt werden, womit der Weg für eine reaktionäre Staatsmacht geebnet werden sollte, die für „Ruhe und Ordnung“ zu stehen hätte. Die innerstaatliche Feinderklärung war und ist weiterhin klar definiert: die revolutionäre Linke.
Der türkische Unternehmer- und Industriellenverband TÜSIAD und die Vertretung des Berlusconi-Kapitals sind zentrale Säulen zweier Staatsapparate, deren klassenspezifisches Ziel es ist, jede sich ausbreitende Artikulation und Aktivität der revolutionären Linken zu unterbinden – koste es was es wolle – wie Geschichte und Gegenwart zeigen. Hier wie dort ist es unsere Aufgabe, organisiert für eine sozialrevolutionäre und antiimperialistische Befreiungsperspektive zu kämpfen – für eine klassen- und staatenlose Gesellschaft, das heißt für den Kommunismus!
Solidarität mit den revolutionären Gefangenen weltweit ist praktizierter Internationalismus!
Imperialistische, neo-kolonialistische Unterdrückung und Angriffskriege der Staaten der G8 in vielen Winkeln dieser Welt sowie der in alle Fasern der Gesellschaft reichende Klassenkampf des Kapitals gegen abhängig Beschäftigte und deklassierte Massen sind eine geschichtliche Konstante, genauso wie der antiimperialistische Befreiungskampf und der sozialrevolutionäre Klassenkampf. Die Geschichte ist eine Geschichte von sozialerevolutionären und antiimerialistischen Befreiungskämpfen. Zur vorbeugenden Aufstandsbekämpfung gehört ebenfalls die Errichtung einer Klassenjustiz, eine politische Sondergesetzgebung und ein persönlichkeitszerstörendes Knastregime der Isolationsfolter. Es ist schon vielfach betont worden, dass sich der politische Zustand der (revolutionären) Linken u.a. darin konkret widerspiegelt, wie praktisch-solidarisch sie mit ihren Gefangenen, die aus diesen Kämpfen unabwendbar resultieren, umgeht. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und exakten Planungen von unserer Seite werden staatliche Repressionsschläge unsere Strukturen treffen. Es ist Auftrag präventiver Konterrevolution keinen sich formierenden Widerstand der revolutionären Linken zu lassen, der an die Grundfeste der kapitalistischen Eigentums- und Ausbeutungsordnung nicht nur periodisch folgenlos rüttelt, sondern eine reale Gefährdung darstellt.
Wir haben die Funktion der Klassenjustiz nie groß skandalisiert, es entspricht ihrer Genese, uns mit Sonderparagrafen und Strafprozessen zu überziehen, sowie z.T. für Jahrzehnte wegzubunkern. Es geht darum, der Klassenjustiz organisierten Selbstschutz entgegenzusetzen.
Auf die Situation, dass wir mit einer permanenten staatlichen Fahndungs- und Verfolgungspolitik konfrontiert sind, hat die internationale ArbeiterInnenbewegung, und kommunistische Weltbewegung von jeher zu antworten gewusst: Die Internationale Arbeiterhilfe (IAH) unter Willy Münzenberg oder Internationale Rote Hilfe (IHR) unter Julian Marchlewski (Karski) oder Clara Zetkin waren Ausdrucksformen internationalistischer Solidarität. Die Anknüpfungen an diese kämpferische Gefangenensolidarität und grenzüberschreitende Unterstützung von Klassenkämpfen und Befreiungsprojekten sind keine sentimentalen Relikte aus vergangenen Zeiten. Sie stellen die Basis dar, um überhaupt eine Politik zu wählen, die nicht sklavisch im undurchdringlichen Dickicht des bürgerlichen Unrechts und im engstirnigen Metropolenchauvinismus verbleibt. Jede Akzeptanz der bürgerlichen „Rechtsnormen“ und der „Welt, wie sie ist“ heißt Akzeptanz von Ausbeutung und Unterdrückung, heißt Zementierung des Status quo. Sich außerhalb der Gesetzlichkeit bewegen ist vom Standpunkt der Bewahrer des Status quo justiziabel, klar, denn deren „Lebenswerk“ wird tangiert. Und genau darum geht’s, das einzureißen, was einer egalitären Gesellschaftsform im Wege steht. Unsere Gefangenen sind untrennbarer Teil dieser klassenspezifischen Konfrontation!
In den vergangenen Jahren ist einiges an Aufbauarbeit für intakte und interventionsfähige Solidaritätsstrukturen für unsere Gefangenen und internationalistischen Austausch geleistet worden. Das ist umso entscheidender, wenn wir uns die neuerlichen staatlichen Zu- und Angriffe auf unsere Strukturen in vielen Ländern dieser Welt vergegenwärtigen.
In diesem Zusammenhang möchten wir dazu aufrufen, Christian Klars bedingungslose und sofortige Knastentlassung und die Freilassungskampagne für den Berliner Antifaschisten Matti zu unterstützen.
Revolutionäre Politik verteidigen – bewaffneter Kampf ist gerechtfertigt!
Wir erleben seit der Debatte um die „turnusgemäße“ Freilassung von Brigitte Mohnhaupt und den „Gnadengesuch“ von Christian Klar eine Welle der Denunziation und Desinformation auf allen Medienkanälen. Dabei sind die GenossInnen Mohnhaupt und Klar nur der Aufhänger, um der Legitimität revolutionärer Politik, die aus der 68er Revolte eine gewisse AnhängerInnenschaft aufweisen konnte, ein für alle mal den Garaus zu machen.
Es reicht gegenwärtig bereits eine moderat vorgetragene Kapitalismus-Kritik, wie Christians Solibotschaft an die Luxemburg-Konferenz in Berlin im Januar d. J., um die Claqueure auf den Plan zu rufen. Es ist leicht zu prognostizieren, dass bis zum Zeitraum der Wiederkehr des „Deutschen Herbstes“ die publizistische Hetze (Kraushaar & Co.) und künstliche Aufgeregtheit der KommentatorInnen anhalten und auf die Stammheimer Todesnacht als Höhepunkt zusteuern wird.
Was haben wir dem als revolutionäre Linke entgegenzusetzen? Positiv ist, dass sich zum einen ehemalige AktivistInnen aus den Gruppen der Stadtguerilla verstärkt zu Wort melden und die aus der Druckpresse gespuckten Falschinformationen nicht mehr widerspruchslos hinnehmen. Aufgrund unserer sehr geringen publizistischen Reichweite sind dem natürlich ziemlich enge Grenzen gesetzt. Zum anderen ist, wie im Kontext des 18. März, wichtig, dieser Denunziations- und Desinformationkampagne, die nicht unwesentlich von konvertierten „Alt-68ern“ angeführt wird, offensiv in unseren eigenen Reihen entgegenzutreten. Vor allem auch dann, wenn ehemalige AktivistInnen die „Aufarbeitung“ des bewaffneten Kampf heute nur noch als individualpsychologischen und therapeutischen Bewältigungsakt betrachten können. Wir wollen dazu motivieren, einen wesentlichen Teil der politischen Aktivitäten darauf zu fokussieren, für
einen authentischen Informationsfluss in Sachen Guerillapolitik und bewaffneten Kampf der revolutionären Linken weltweit zu sorgen. Wir behaupten, dass wir im Moment an einer existenziellen Grundlage revolutionärer Politik in der BRD vernichtend geschlagen werden sollen – es geht um nichts anderes als um die Auslöschung des Gedankens und der Tat eines „ganz anderen Ganzen“, dass aufgrund der Bastionen von Staat und Kapital im Endergebnis nur politisch–militärisch zu erzielen sein wird.
Wir sehen es als zentrale Aufgabe an, den Blickwinkel zu verschieben, um zu fragen, wie es zu rechtfertigen ist, auf die (u.a. bewaffneten) Mittel zu verzichten, die die Möglichkeit der Zielerreichung einer egalitären Gesellschaftsform bereithalten. Es ist ein Sprüchlein aus einem infantilen Poesiealbum, wenn die ApologetInnen des weltumspannenden Kapitalismus „Gewaltlosigkeit“ predigen und die gesellschaftliche Aktualität als historischen Höhe- und Endpunkt verkünden. Es ist ein schlechter Witz, wenn uns genau jenes konservative Klientel das „moralische Recht“ absprechen will, diesen Gesellschaftszustand umzuwälzen, in dem der Mensch ein geknechtetes und entrechtetes Wesen ist. Die Moralphilosophen sitzen immer gleich in den Startlöchern, wenn sich antagonistischer Widerstand „sicherheitsgefährdend“ regt; Ihr Zeigefinger weist der staatlichen Repression zielsicher die Richtung. Unsere „Mittel – Ziel – Relation“ ist klar, darin liegt unsere Rechtfertigung revolutionärerer Politik, so rudimentär sie im Moment auch sein mag. Denn die Notwendigkeit, dass Kapitalismus und Imperialismus fallen müssen, steht außer Frage. Außer Frage steht auch, dass wir nicht mit der geballten (bewaffneten und militärischen) Macht des herrschenden Staatsapparates konfrontiert werden. Lassen wir allen reformerischen Illusionismus hinter uns und wenden wir uns einem revolutionären Realismus und den organisatorischen Fragen eines revolutionären Aufbauprozesses zu, der, wenn er kein Papiertiger sein will, eine bewaffnete Flanke braucht! Jede Kompromißlerei in der Frage der Anwendung revolutionärer Gewalt ist eine „Halbheit“, jede Konzession verschlechtert unsere Ausgangsbedingungen, nimmt uns Handlungsoptionen im Kampf gegen das „imperiale Bündnis Europa“.
Für eine militante Plattform – für einen revolutionären Aufbauprozess – für den Kommunismus!
militante gruppe (mg), Frühjahr 2007
Groteskes am Rande:
In dem von uns angegriffenen Gebäude befindet sich ein Büro der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen. Aufgrund der Gebäudearchitektur, Lage des Koordinierungsstellen – Büro und der Außenanwendung des Brandschatzes ist eine Gefährdung durch die Brandwirkung für diese gewerkschaftliche Gruppierung nach allen Erfahrungswerten ausgeschlossen. Der Sachschaden fokussiert sich ausschließlich auf die Fassadenstruktur des Eingangsbereiches. Aufgrund der jahrzehntelange Kenntnis der sozialpartnerschaftlichen Kanalisationspolitik von gesellschaftlichem Protest durch die Gewerkschaftsbürokratie in der BRD ist der Anschlag in dieser Form aus unserer Sicht legitim, zumal er einen klar definierte Adressaten hat.
Gewerkschaften und ihre Untergruppierungen stellen kein emanzipatorisches oder gar linkes Reservoir der Fundamentalopposition dar, sondern sind ein wesentlicher Pfeiler der kapitalistischen Vergesellschaftung und Blockierer des Klassenkampfes. Die Rolle und Funktion der IG Metall beim BSH- Streik in Berlin von vor einigen Monaten dürfte noch frisch in Erinnerung sein. Dass der DGB für die von ihm regelmäßig formalrechtlich abgesegnete Arbeitsplatzvernichtung auch noch einen eigenen „Reperaturbetrieb“ eingerichtet hat, ist nicht mehr als ein zynisches Imagespielchen.
Zitate am Rande:
Haben Sie schon mal ...?
Für Ernst Toller
Haben Sie schon mal, Herr Landgerichtsdirketor, als Gefangener eine Nacht durchwacht? Haben Sie schon mal vom Herrn Inspektor einen Tritt bekommen, dass es kracht? Standen Sie schon mal, total verschüchtert, vor dem Tisch, wo einer untersuchungsrichtert? Ihnen ist das bis zum Ruhestand dienstlich nicht bekannt.
Haben Sie schon mal acht heiße Stunden ein Verhör bestanden, das Sie nicht verstehen? Haben Sie schon mal die Nachtsekunden an der Zellenwand vorüberlaufen sehn? Oben dämmert ein Quadrat mit Gittern, unten liegt ein Tier und darf nur zittern...
Diese kleinen Züge sind in ihrem Stand dienstlich nicht bekannt. Aber Kommunistenjungen jagen, wegen Hochverrat ins Loch gesperrt, vor Gericht die Spitzel mild befragen, Saal geräumt, wenn eine Mutter plärrt, Fememörder sanft verschoben, mit dem leisen Schleierblick nach oben, Existenzen glatt vernichtet, die von Waffenplätzen was berichtet. Unglück rings verbreitet, Not und Qual – Ja, das haben Sie schon mal – !
Kurt Tucholsky, 1926
„Von hier aus (Europa, Anm. mg) rollt weiter dieses imperiale Bündnis, das sich ermächtigt, jedes Land der Erde, das sich seiner Zurichtung für die aktuelle Neuverteilung der Profite widersetzt, aus dem Himmel herab zu züchtigen und seine ganze gesellschaftliche Daseinsform in einen Trümmerhaufen zu verwandeln. (...) Schließlich ist die Welt geschichtlich reif dafür, dass die zukünftigen Neugeborenen in ein Leben treten können, dass die volle Förderung aller ihrer menschlichen Potenziale bereithalten kann und die Gespenster der Entfremdung von des Menschen gesellschaftlicher Bestimmung vertrieben sind“
Christian Klar, Gefangener aus der RAF, 2007