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Winter 2005 | militante gruppe (mg)

Interim Nummer 631

mg-express No.1

Infos zu klandestiner Politik

Diese mit minimalstem Aufwand erstellte „Flugschrift“ soll all jenen Interessierten ein paar Informationen über klandestine („geheime“, „gesetzwidrige“) Politik zur Hand geben, die es gerne kurz & bündig haben wollen. Davon gibt es wie wir feststellen konnten, mehr als wir anfangs dachten. Deshalb halten wir es – entgegen unserer üblichen Gewohnheit – in diesem Blättchen ausschließlich express. Damit wollen wir eine „Marktlücke“ unserer bisherigen Veröffentlichungspraxis schließen.

Etwa vierteljährlich werden wir einige wenige Infos über militante Aktionen, Positionen und Debatten klandestiner Gruppen in der BRD und anderswo zusammentragen. Wir wollen hier nicht nur eine Gruppen-Nabelschau betreiben, sondern werden das aufgreifen, was uns für den Prozess einer Koordination unter militanten und klandestinen Gruppenzusammenhängen wichtig und nützlich erscheint. Allerdings befassen wir uns in dieser Ausgabe aufgrund unseres „Fünfjährigen“ in erster Linie mit uns selbst.

Zur Verteilung dieser „Flugschrift“ tragen GenossInnen und FreundInnen bei, die das Projekt eines revolutionären Aufbauprozesses unterstützen wollen. Dabei ist es uns wichtig, dass neben den bekannten Szene-Einrichtungen der revolutionären Linken mehr und mehr Haushalte in dieser Stadt diesen Werbezettel neben den vielen anderen in den Briefkästen o.ä. finden.

Wir wollen nicht vergessen, ausdrücklich darauf hin zu weisen, dass solidarische Menschen, die dieses Blättchen in welcher Form auch immer verbreiten, sich der Gefahr der Kriminalisierung aussetzen. Also: Aufpassen!

Ein kleines Selbstportrait

„Militanz ohne Organisation ist wie Salz ohne Suppe“ (Agit 883, 1970)

Die Frage, wer oder was wir sind, ist gar nicht so einfach in Stichworten zu erklären. Wir sind zum ersten Mal Mitte 2001 auf der Bildfläche mit einem Brandanschlag auf die Berliner DaimlerChrysler-Niederlassung und der Patronenverschickung an die Hauptverantwortlichen des Schlussstrichprojektes des Nazi-Nachfolgestaates BRD gegenüber den versklavten ZwangsarbeiterInnen im Faschismus erschienen.

In den Folgejahren sind u.a. Institutionen und Firmen des sozialtechnokratischen Klassenkampfes von oben (Sozialämter, „Gemeinsame Anlaufstelle von Arbeits- und Sozialamt“, ALBA, LIDL) in unser Blickfeld geraten. Die zunehmend dominantere Rolle der BRD in internationalen Konfliktsituationen haben wir ebenso in unsere Agenda aufgenommen wie die folgerichtige Repression gegen die revolutionäre Linke in der BRD. So ein paar Anschläge sind nicht der Weisheit letzter Schluss – gewiss nicht, aber ein wesentlicher Baustein einer bestimmten politischen Herangehensweise, die wir in einen größeren Zusammenhang stellen.

Daraus folgern manche in einem mehr oder weniger melodischen Singsang, wir wären in der revolutionären Linken der BRD „das Salz In der Suppe“.

Das ist bestimmt zu hoch gegriffen. Dennoch macht diese Metapher deutlich, dass wir u.a. durch eine kontinuierliche militante Politik versuchen, ein verlässliches und stabiles Standbein der außerparlamentarischen Proteste zu sein; oder besser, im Bilde zu bleiben, ein Geschmacksverstärker. Wir begrenzen unsere Aktivitäten nicht auf die legalisierten und normierten Spielwiesen, unsere politischen Ausdrucksformen wählen wir selbst.

Ganz anders natürlich die Meinung der staatlichen Verfolgungsbehörde á la Verfassungsschutz und BKA; sie betiteln uns als „Autonome mit terroristischen Ansätzen“ – als Anerkennung unseres Wirkens bleibt da nur der hinlänglich bekannte Gesinnungsparagraph § 129a übrig. Wir beklagen uns darüber gar nicht, denn da gibt es nichts zu skandalisieren, da gibt es nur die Instanzen der Repression in Schach zu halten. Kein StGB der bürgerlichen Welt kann es zulassen, von einem kleinen, verwegenen Haufen beständig angepisst zu werden, ohne sich selbst ad absurdum zu führen.

Der böse „Terrorismus -Verdacht“ kann mit unserem Selbstbild selbstredend nichts zu tun haben, vor allem, welche Begriffsverwirrung kommt hier wieder einmal zum Vorschein: Denn nicht diejenigen, die für eine egalitäre Form des Sozialen eintreten verdienen das Stigma des „Terrorismus“, sondern Jene, die gestützt auf das Gewaltmonopol der repressiven Staatsapparate die kapitalistische Verwertungsmaschine aufrechterhalten wollen – mit welchen abfedernden Schmiermitteln auch immer.

Hierzu stehen wir in jeder Hinsicht in einem grundsätzlichen Widerspruch. Ein Ausdruck dieses Widerspruchs spiegelt sich im unserer militanten Praxis wider. Eine revolutionäre Politik bzw. der Klassenkampf von unten wird ohne die Organisierung der militanten und bewaffneten Seite des Widerstandes auf bloße Verlautbarungen reduziert sei. Appelle sind wahrlich hinreichend geschrieben worden. Wieso sollten sich die politisch herrschenden und besitzenden Kreise dieser Gesellschaft durch das bessere Argument überzeugen lassen und auf ihre historische erkämpfte Privilegienstellung verzichten? Da sind wir wiederum gar nicht vorwurfsvoll, wenn’s anders wäre, hätten wir wesentliche Züge des Kapitalismus bereits aufgehoben. Wir wollen nur begreiflich machen, daß man im Gegenzug nicht von uns erwarten kann, zu vegetieren und in den Chor vom Ende der Geschichte und der Sachzwanglogik nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus einzustimmen.

Auch die Geste des Papiertigerchens, das verbal zum großen Sprung ausholt, aber regelmäßig über seine großen Pfoten stolpert und flachliegt, können wir getrost anderen überlassen. Deshalb versuchen wir Wort &Tat in Übereinstimmung zu bringen, was zugegebenermaßen nicht immer klappt.

Schön & gut – und was wollen wir eigentlich?

Zuallererst eine erweiterte Note in das recht blumige Sozialforumsmotto „Für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Natur“ bringen. Wir kämpfen auf der Basis eines sozialrevolutionären und antiimperialistischen Ansatzes perspektivisch für eine klassen- und staatenlose kommunistische Gesellschaftsform. Denn es geht uns darum, alle Verhältnisse umzuwerfen, „in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Marx). Uns ist bewusst, dass eine kommunistische Grundorientierung nicht allein mit einem 150 Jahre alten Marx-Zitat erläutert werden kann – schon gar nicht, wenn auf dem Ticket des Kommunismus sein „Totengräber“ (Trotzki) Stalin gefahren ist. Unsere Bezugspunkte können nur folgende sein: die Anfänge der organisierten kommunistischen Bewegung (Bund der Kommunisten 1847-1852) unter Marx und Engels, die drei Internationalen bis zu ihrem jeweiligen Auseinanderbrechen (I. Internationale 1864-1872) bzw. ihrer sozialchauvinistischen (II. Internationale 1889-1914) und stalinistischen Pervertierung (III. Internationale 1919-1928). Gerade in den heterogenen links- und rätekommunistischen sowie syndikalistischen Strömungen und Fraktionen der 20er und 30er Jahre des 20. Jh. finden sich viele mögliche Anknüpfungslinien die zu ideologischen Orientierungen werden können.

Soziale Revolution und Antiimperialismus sehen wir nicht als Gegensatzpaar, wie so häufig in der Vergangenheit der revolutionären Linken, sondern als zwei Seiten einer Medaille. Es hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr (wieder) herauskristallisiert, dass der sozialtechnokratische Krieg nach Innen gegen blutig erstrittene gesellschaftliche rechte und Standards vor allem der ArbeiterInnenbewegung sowie die imperialistische Kriegsführung und Hegemoniegewinnung nach außen in einem Wechselverhältnis zueinander stehen.

Diesen großen, hehren Anspruch haben wir selbstverständlich auf ein Normalmaß, das unseren aktuellen Möglichkeiten entspricht herunterzubrechen. Deshalb versuchen wir im rahmen der seit 2001 stattfindenden Militanzdebatte, in der es um einen inhaltlichen und praktischen Koordinierungs- und Organisierungsprozeß militanter Gruppenstrukturen geht, unsere Positionen in einem kontroversen Austausch kenntlich zu machen. Als Nahziel haben wir uns für die Bildung einer militanten Plattform ausgesprochen, in der sich in einer koordinierten Verbindung von Diskussion und Aktion gemeinsame Eckpunkte festschreiben lassen Stück für Stück konkretisieren.

Allerdings muss unsere Rolle über diesen Organisierungsversuch militanter Strukturen hinausreichen. Zu einem komplexen revolutionären Aufbauprozesse gehört unserer Ansicht nach unerlässlich die Stärkungen basisinitiativen auf der einen Seite und die Schaffung von logistischen und organisatorischen Voraussetzungen einer bewaffneten Propaganda in der Form einer Stadtguerilla bzw. Miliz auf der anderen Seite. D.h. wir sehen uns nicht als Zirkel, der sich nur in seinem originären bereich einer militanten Praxis einrichtet, sondern unsere Verantwortungsübernahme zieht sich durch alle Gliederungen der revolutionären Linken.

Damit aber noch immer nicht genug: Wir können uns nicht räumlich auf die Nische der revolutionären Linken begrenzen. Unsere Politik muss, wenn sie eine gesellschaftliche Relevanz und Akzeptanz haben will, unsere Zielvorstellungen des Kommunismus populär machen. Dabei fallen wir aber nicht von außen über die deklassierten und marginalisierten gesellschaftlichen Sektoren zwecks Politisierung her – wir sind selbst Teil der sozial Überflüssigen. Die revolutionäre Linke bildet keine Exklave, auch wenn man manchmal meinen könnte, einige ihrer AnhängerInnen katapultieren sich mutwillig aus jedem sozialen Zusammenhang heraus und simulieren die Insel der Glückseligen. Nein, wir wollen keine zynische KommentatorInnenposition vom studentischen Frühstückstisch aus einnehmen. Wir sehen unseren bescheidenen Part dagegen darin, Tatbeteiligte in einer Geschichte zu sein, die eine Geschichte von Klassenkämpfen ist.

20 Terroranschläge in der Region – „Militante Gruppe“ gilt als Drahtzieher des Brandaschlages auf Ministerium – Drohbriefe mit Munition an Politiker (Berliner Morgenpost, 13.5.2005)

Nach dem Brandanschlag auf Fahrzeuge des Umweltministeriums in Potsdam, zu dem sich die „Militante Gruppe“ (MG) bekannte, rücken die Linksterroristen nun verstärkt ins Visier der Staats- und Verfassungsschützer. Bei dem Anschlag waren in der Nacht zum 29. April diesen Jahres drei PKW ausgebrannt, sieben Fensterscheiben im Erdgeschoss sowie Teile der Fassade des Ministeriums zerstört worden (...)

Die „Militante Gruppe“ wird nach Auskunft der Bundesanwaltschaft momentan für 20 Anschläge verantwortlich gemacht, vier davon in Brandenburg. Ziele waren DaimlerChrysler-Niederlassungen, Fahrzeuge der Bundeswehr, der Telekom und eines Entsorgungsunternehmens, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung sowie mehrere Arbeitsagenturen und Finanzämter in Berlin. Erstmals trat die MG mit der Versendung von Drohbriefen an den Regierungsbeauftragten für Entschädigung der Zwangsarbeiter, Otto Graf Lambsdorff, und an die Repräsentanten der „Stiftung der deutschen Wirtschaft“, Wolfgang Gibowski und Manfred Gentz, im Juni 2001 in Erscheinung.

Den mit den Worten „Auch Kugeln markieren einen Schlussstrich“ überschriebenen Drohbriefen wurde jeweils eine Kleinkaliberpatrone beigefügt. Als Begründung der Versendung der Schreiben führte die MG an, dass die geplante Entschädigungssumme nicht ausreichend sei. Die Bundesanwaltschaft ermittelt seit 2001 gegen die MG wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung. Auch im Fall des jüngsten Brandanschlags hat Generalbundesanwalt Kay Nehm die Ermittlungen an sich gezogen (...).

Anschlagsbrett

Anschläge der militanten gruppe (mg) – (2001-2005)

Merksatz:
Den Todfeind zur Abrüstung zwingen, taugt nur ein Mittel: das zielklare trotzige Rüsten zum unversöhnlichen Klassenkampf. Rüsten wir!

Internethinweise:
www.geocities.com/militanzdebatte, www.soligruppe.de, www.rafinfo.de, www.indymedia.org

Für eine militante Plattform – für einen revolutionären Aufbauprozess – für den Kommunismus!

militante gruppe (mg), Winter 2005