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25. Februar 2003 | militante gruppe (mg)

Interim Nummer 567 vom 6. März 2003, Seite 6 bis 7

Anschlagserklärung

Wir haben in den Morgenstunden des 26.02.2003 mehrere Jeeps der Bundeswehr auf dem Gelände des Mercedes-Benz Vertragshändlers Weilbacher GmbH in der Petershagener Chaussee in Petershagen/Strausberg (östlich von Berlin) mit Brandsätzen angegriffen.

Wir sehen militante Aktionen gegen die Logistik und Technik einer deutschen Armee, die nach den USA den zweitgrößten Truppenanteil bei Auslandseinsätzen zur Durchsetzung imperialistischer Weltvorherrschaft aufbietet, sowie gegen Einrichtungen eines der größten Rüstungskonzerne der Welt vor dem Hintergrund des drohenden Angriffskrieges gegen den Irak, als politische Notwendigkeit der radikalen Linken in der BRD an. Die BRD bzw. hier ansässige Konzernzentralen sind unter „Rot/Grün“ längst zu Kriegsparteien rund um den Globus avanciert.

Die vermeintliche „Friedenspolitik“ der rot/grünen-Regierung ist Ausdruck des neuen kapitalistischen Selbstbewußtseins der dominierenden Staaten in der EU. Es geht ihnen nicht darum, die durch einen US-Angriff drohende Vergrößerung der Verlenderung der irakischen Bevölkerung zu verhindern. Erwiesen sich die deutschen Machthaber während des ersten Golfkrieges 1991 noch als loyaler Partner, verfolgt die BRD-Regierung 2003 das Ziel, eigene Stärke zu demonstrieren und politisch-ökonomische sowie geostrategische Interessen gegen den einstigen „großen Bruder“ USA durchzusetzen.

Profit durch Krieg

DaimlerChrysler, 1926 als Daimler-Benz AG gegründet, war als Konzern von Anfang an in die Propaganda und schließlich in die Rüstungsexpansion des deutschen Faschismus integriert. Durch die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen erwirtschaftete die DaimlerBenz AG Milliardengewinne vor und während des Vernichtungskrieges der Nazis. Führend war der Konzern während der Nazizeit in der Produktion von Schiffs- und Flugzeugtriebwerken, die ausschließlich militärischen Zwecken dienten und ohne die der nazistische Vernichtungskrieg nicht möglich gewesen wäre.

Großteile der Produktionsstätten wurden durch Bombenangriffe zerstört, da sie von den Alliierten als militärisch-legitimes Ziel definiert waren.

Von diesen Verlusten erholte sich der Konzern schnell. Schon in den frühen 50er Jahren unterhielt der Konzern zahlreiche Tochterunternehmen. 1970 kam es zur Gründung der „Motoren- und Turbinen Union“ (MTU), die bis heute bedeutender Bestandteil der militärischen Produktionspalette von DaimlerChrysler ist. Als spektakulär in der kapitalistischen Wirtschaftswelt galt die Fusion mit dem amerikanischen Autokonzern Chrysler im Jahr 1998. Weiterhin bedeutend für den Konzern war der Zusammenschluß der DaimlerChrysler Aerospate (Dass) mit einem französischem und spanischen Konzern zur European Aeronautic Defence and Spate Company zum somit größten europäischen Luft- und Raumfahrtunternehmen. Dadurch konnte die Entwicklung und Produktion von Militärtechnik (Hubschrauber, Kampf- und Transportflugzeuge, Satelliten, Raumfahrt-Infrastruktur) im Interesse des Konzerns gebündelt werden.

Mit dem Brandanschlag gegen Mercedes-Benz-Fahrzeuge der Bundeswehr wollen wir auch gezielt gegen einen militärisch-industriellen Komplex des DaimlerChrysler Konzerns agieren, der im Sinne des Profits und aus unternehmenspolitischer Überzeugung zur Funktionsfähigkeit der deutschen Kriegsmaschinerie beiträgt.

US-Aggression gegen den Irak und die Rolle der BRD

Mit der Aussage, den Irak zu entwaffnen und zu „demokratisieren“ läßt die US-Regierung unter Bush zum zweiten Mal innerhalb von 12 Jahren eine gigantische Militärmaschinerie im Nahen Osten antreten, um ein Land anzugreifen, welches auch heute noch unter den Folgen des ersten Krieges zu leiden hat. Die Bevölkerung des Irak leidet unter Hunger und Krankheiten, verschuldet auch durch die Embargos der UNO, ganze Landstriche sind bis heute auf Grund des Einsatzes von Uranmunition nicht bewohnbar.

Solange das Regime Saddam Husseins brav seine Rolle als Vasall des Westens erfüllte, konnte er ungestört gegen die Opposition vorgehen und Tausende KurdInnen im Nordirak mit deutschem Giftgas massakrieren. Den Stempel des Diktators erhielt er erst, als im Westen befürchtet wurde, er könne im Rahmen der OPEC ein „Ölpreis-Schreckensregime“ errichten.

Mit einem gewaltsam herbeigeführten Machtwechsel im Irak würde die USA ihre polit-ökonomische Position auf dem Weltmarkt zu ihren Gunsten kippen können. Die Eroberung der irakischen Ölquellen würde für die USA bedeuten:

Nicht zuletzt verschlingt der martialische Aufmarsch der USA und ihrer Verbündeten in der Golfregion Milliarden Dollar, die natürlich profitabel und gewinnbringend angelegt sein wollen.

Die rot/grüne BRD-Regierung gibt sich im Jahr 2003 „friedliebend und kriegskritisch“. Mit dem Argument, ihr Vorgehen orientiere sich an der Meinung der deutschen Bevölkerung, geht sie demagogisch außenpolitisch auf Gegenkurs. Die eigenen ökonomischen und politischen Interessen verschweigend, argumentiert der einstige „Streetfighter“ und jetzige Außenminister Fischer, dass „die Möglichkeiten einer friedlichen Lösung noch nicht ausgereizt (seien)“. 1998, mit dem Argument ein „zweites Auschwitz“ verhindern zu müssen, beteiligte sich die rot/grüne Regierung an einem Angriffskrieg gegen Jugoslawien. Im Namen der Menschenrechte wurden Städte und Landstriche, zum zweiten mal innerhalb eines Jahrhunderts, von deutschen Flugzeugen bombardiert.

Mit der zweiten Irak-Aggression der USA und ihrer Verbündeten eskalieren die unterschiedlichen Interessen der kapitalistischen Großmächte. Die USA versuchen mit einem Krieg gegen den Irak ihre geostrategische Position zu verbessern und von eigenen innerstaatlichen, wirtschaftlichen und sozialen Krisen abzulenken. Dominierende EU-Länder, wie die BRD und Frankreich fürchten um ihre politische Einflußnahme und den Verlust von Absatzmärkten im arabischen Raum. Die deutsche Wirtschaft gilt heute als einer der wichtigsten Partner des Irak, der dortige Absatzmarkt bedeutet Milliardengewinne. Der innerimperialistische Konflikt zwischen den USA und der EU spielte sich bisher auf wirtschaftlichen Ebenen ab. Mit der Planung des zweiten Irak-Krieges verlängert sich dieser Konflikt auch in militärischen Bündnissen wie der NATO. Genau wissend, mit Auslandseinsätzen wie in Somalia oder Afghanistan noch an die Grenzen der militärischen Belastbarkeit gebunden zu sein, äußert sich das großdeutsche Selbstbewußtsein bisher nur auf wirtschaftlich-politscher Ebene.

Mit der durchsichtigen „Antikriegsrhetorik“ auf der einen Seite und der Gewährung von Überflugrechten, dem Schutz von US-amerikanischen Einrichtungen durch die Bundeswehr, der Bereitstellung von Awacs-Aufklärungsflugzeugen auf der anderen Seite versucht die BRD-Regierung den verlogenen Spagat, sich zugleich als „Friedensstifter“ im Namen der Bevölkerung zu etablieren und durch diese Art von Kriegsbeteiligung NATO-Bündnistreue zu beweisen.

Der Krieg nach außen und innen

Mit unserer militanten Aktion gegen Bundeswehrfahrzeuge auf dem Gelände einer Mercedes-Benz-Vertragswerkstatt wollen wir mehrere Facetten in den Mittelpunkt unseres Engagements rücken. Bei DaimlerChrysler handelt es sich um einen deutsch-amerikanischen Großkonzern, der – trotz innerimperialistischer Spannungen zwischen den USA und der EU – Milliarden durch Waffengeschäfte verdient. Unberührt von den unterschiedlichen Interessen kapitalistischer Nationalstaaten und transnationaler Bündnisse sind Konzerne im Zeitalter der Globalisierung eigene Machtfaktoren, die sich lediglich im Sinne der Profitmaximierung territorial-politisch engagieren. Soziale Verelendung, Armut und Hunger, Krankheiten und Umweltzerstörung und nicht zuletzt Kriege sind weltweite Erscheinungen, auf denen die Bilanzgewinne von Konzernen wie DaimlerChrysler basieren.

Der Zusammenbruch des Warschauer Paktes und dem damit einhergehenden Wiedererstarken Deutschlands ermöglichte es den jeweiligen BRD-Machthabern, die Bundeswehr aktiv an imperialistischen Aggressionen in sogenannten Krisenregionen teilnehmen zu lassen. Deutliche Signale konnten damit gesetzt werden: Der Kalte Krieg ist vorbei und die BRD ist wieder zu einem Machtfaktor gewanden der eigene politische und ökonomische Interessen auf der Welt artikuliert und geltend macht.

Anfangs logistische Unterstützung leistend, beteiligte sich die Bundeswehr immer aktiver an militärischen, Interventionen (Bombardements in Jugoslawien, Einsatz von Spezialtruppen in Afghanistan). Die Bundeswehr sieht sich bis heute einer Tradition deutscher Armeen verpflichtet, in der auch die faschistische Wehrmacht eingegliedert ist. Es gibt in der aktuellen Debatte konkrete Überlegungen, die Bundeswehr auch im Inneren einzusetzen. Mit der Argumentation, spätestens seit dem 11. September 2001 wären Armeen des 21. Jahrhunderts neuen Herausforderungen ausgesetzt, planen einige Strategen den Einsatz der Bundeswehr zur Abwehr von „Gefahren des Terrorismus“.

Medien- und öffentlichkeitswirksame Auftritte von BW-Soldaten bei Hochwassereinsätzen sollen eine gesellschaftliche Akzeptanz für die Militarisierung der Gesellschaft schaffen. Ehemalige Bundeswehrgeneräle wie der Innenminister Brandenburgs, Jörg Schönbohm, agieren heute als innenpolitische Hardliner um „law and order“ in ihren Machteinflußgebieten durchzusetzen.

Diese Militarisierung nach außen und innen erfaßt mehr und mehr alle Fasern des gesellschaftlichen Lebens. Die kriegsimperialistische Repression nach außen korrespondiert mit der sozialtechnokratischen nach innen. Die sozialtechnokratischen Angriffe (Deregulierung des Arbeitsmarktes, Aushebelung der Gesundheitsversorgung) nehmen in erster Lilie die untersten sozialen Segmente ins Visier und machen sie zu einem Experimentierfeld regierungsamtlicher Kommissionen (Hartz, Rürup). D.h., der Krieg vollzieht sich immer nach außen wie nach innen. Imperialistische Kriege gegen verarmte Länder dieser Welt sind nicht zu trennen von einer innerstaatlichen Repression gegen SozialhilfeempfängerInnen, MigrantInnen, „SchwarzarbeiterInnen“ und die Teile der Linken, die sich bis heute nicht mit den bestehenden Verhältnissen abgefunden haben.

Mit unseren bisherigen klandestinen Aktionen haben wir die herrschenden sozialtechnokratischen und imperialistischen Stoßrichtungen thematisiert und im Rahmen unserer Möglichkeiten militant angegriffen. Die Brandanschläge auf das Sozialamt Reinickendorf (März 2002) und das Finanzamt Neukölln (Dezember 2002) richteten sich gegen die aggressive Politik der sozialen Verelendung und Deklassierung durch den Verwaltungsapparat: Unsere jetzige Aktion gegen eine Mercedes-Benz-Vertragswerkstatt, die Bundeswehrfahrzeuge instandsetzt und unser Brandanschlag auf einen DaimlerChrysler-Vertragshändler vom April 2002 haben bzw. hatten Kriegsmaterial und rüstungswichtige Konzernstrukturen zum Ziel. Bereits mit unserer ersten militanten Aktion gegen ein Unternehmen und die Führungsriege der Stiftungsinitiative zur „Zwangsarbeiterentschädigung“ (Sommer 2001) hatten wir das Projekt einer sozialtechnokratischen Vernutzungs- und imperialistischen Expansionspolitik par exellence aufgegriffen: die nazistische Vernichtungs- und Mehrwertmaschine der Zwangsarbeit.

Des weiteren haben wir mit unseren Patronenverschickungen an den Sozialstadtrat von Berlin-Reinickendorf und die Führungsriege der Stiftungsinitiative Entscheidungsträger aus ihrer Anonymität geholt und eine Debatte um die Mittel des revolutionären Kampfes im Rahmen des Aufbaus einer militanten Debatte mit-initiiert.

Sowohl für eine sozialrevolutionäre Politik gegen die sozialtechnokratischen Angriffe als auch für eine antiimperialistische Politik gegen eine drohende imperialistische Aggression gilt: Widerstandsrecht wahrnehmen und auf allen Ebenen organisieren.

Kriegstreiber und -gewinnler angreifen – Klassenkampf international organisieren!

Die Freiheit der politischen Gefangenen erkämpfen!

Für eine militante Plattform – für einen revolutionären Aufbauprozeß für den Kommunismus!

Kleiner Nachtrag zu unserer Aktion gegen das Finanzamt Neukölln-Süd in der Neujahrsnacht 2002/2003

Der erfolgreich verlaufene Anschlag gegen das Finanzamt Neukölln-Süd ist im Gegensatz zu unserem weitgehend folgenlos gebliebenen Anschlag auf Büroräume des Sozialamtes in Reinickendorf vom Februar 2002 von der Presse fast vollständig unterschlagen worden. Lediglich in der jungen Welt und in der Berliner Morgenpost gab es zwei kleine Artikel in dem Artikel der jungen Welt ist davon die Rede, dass angeblich nur „geringer Sachschaden“ entstanden sei (vgl. Wochenend-Ausgabe vom 4./5.1.03). Vielleicht ist die Aktion auch deshalb relativ untergegangen, weil es einer von 500 Bränden in der Neujahrsnacht war. Der taktische Vorteil, der sich aus den Sylvesterturbulenzen für militante Aktionen ergibt, muß offensichtlich nicht förderlich für die nachträgliche informative Verbreitung einer Intervention sein.

Nun neigen wir nicht dazu, unsere bisherigen Aktionen in ihrer materiellen Wirkung zu überhöhen (siehe Nachtrag zum Anschlag auf das Soz-Amt in Reinickendorf, Interim Nr. 550, 9.5.02). Wir haben aber verständlicherweise auch kein Interesse daran, dass sie medial ignoriert oder als in ihrer Wirkung geringfügig eingestuft werden.

Der licherlohe Brand (einige Liter Benzin) in dem im Erdgeschoß liegenden Aktenraum des Finanzamtes Neukölln-Süd hat größeren Schaden an Einrichtungsgegenständen und Schriftgut verursacht. Nach dem Maßstab, was militante Aktionen in der Regel für einen Sachschaden produzieren (Stichwort: ständiges Abfackeln von Autos), können wir diese Aktion hinsichtlich ihrer materiellen Wirkung als Erfolg werten.

Es bleibt die alte Gewissheit, dass Veröffentlichungen in den (bürgerlichen) Medien weder vorhersagbar sind noch den realen Ablauf einer militanten Aktion wiedergeben. Umso mehr sind wir darauf angewiesen, eigene (klandestine) Medien zu erhalten und perspektivisch auszubauen, um einen Informationsfluß in unserem Sinne zu gewährleisten.

militante gruppe (mg), 25.02.2003