Erklärung zur BWA-Razzia und „Gewaltdebatte“ im Rahmen der Anti-G8-Proteste
- Zur Einschätzung und Zielsetzung des BAW-Angriffs auf die revolutionäre Linke
- Das Gerangel um die Definitionshoheit über die „Gewaltfrage“
- Unterschiedliche Reaktionen aus den linken Spektren
- Kampf dem Gewaltmonopol des Staates auf allen Ebenen – Befriedungskonzepte unterlaufen
- „Militante Kampagne“ und Anti-G8-Widerstand der revolutionären Linken
Allseits wurde darauf gewartet und nun war es soweit: die Harms-Griesbaurn-Bande (HGB) der Bundesanwaltschaft (BAW) hat in den frühen Morgenstunden des 9. Mai 2001 zum großen Wasserschlag im nord- und ostdeutschen Raum gegen vermeintliche militante Anti-G8-Aktivistinnen ausgeholt. Dazu wurden knapp 1000 Bullen aller Couleur herangekarrt, mindestens 40 Objekte heimgesucht und 21 namentlich bekannte Personen denunziert, Teil irgendwelcher erfundener „terroristischer Vereinigungen“ nach § 129 a zu sein, die sich bei uns und in einer „militanten Kampagne“ organisiert hätten. Gut, uns haben sie nicht erfunden, aber auch nicht gefunden, was für uns – man wird es uns nachsehen – das wichtigste Ergebnis des 9. Mai ist.
Im NGO-Spektrum wird lt. der diesbezüglich gut unterrichteten Quelle taz gemutmaßt, dass infolge des BAW-Angriffs die „Gewaltdebatte“ wieder aufflammen könnte: „Die Leute, die andere Protestformen wollen als wir, werden nun sicherlich wieder lauter werden“, so der Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft in der taz vom 10.5.07. Auch die Attac-Frontfrau Leidig fiel in ihren fernsehgerechten Stellungnahmen wenige Stunden nach der BAW-Attacke nichts anderes ein, als ihren vorauseilenden staatsbürgerlichen Gehorsam der absoluten Friedfertigkeit in die Mikrophone der TV-Anstalten abzusondern.
Wir finden es, nachdem sich die Schockwelle nach der BAW-Razzia gelegt hat, eine ausgezeichnete Idee, die „Gewaltdebatte“ ein weiteres Mal anzufachen und in den Kontext der seit 2001 laufenden Militanzdebatte zu stellen. Lasst uns über das aktuell bevorzugte Thema der revolutionären Gewalt sprechen, über ihre Voraussetzungen, Formen und Wirkungen ... Auch darüber, dass „der kleine Terror“ (SZ 11.05.07) der militanten Linke die staatliche Ordnung gefährden würde.
1) Zur Einschätzung und Zielsetzung des BAW-Angriffs auf die revolutionäre Linke
Als erste Einschätzung des Überrumpelungsversuchs der Harms-Griesbaum-Bande (HGB) bleibt festzuhalten, dass es offenbar Zuträgerinnen der BAW gelungen ist, sich ganz unbemerkt in einem linken Infoladen mit einem Antifa-Kalender eingedeckt zu haben. Das hat bestimmt viel Vorbereitungszeit gekostet, um den richtigen Moment abzuwarten und einen Kauf (oder auch Klau) eines solchen Informationenlieferanten zu besorgen. Da muss dann das Adressverzeichnis höchste Fahndungsaufmerksamkeit erregt haben, anders ist nicht zu erklären, dass sich die HGB exakt an jenem für ihre Razzia-Route orientiert haben muss. Alles, was in der alternativen und/oder autonomen Szene von infrastruktureller Bedeutung in Nord- und Ostdeutschland ist, bekam einen morgendlichen Besuch abgestattet. Die HGB scheint ’ne reiselustige Truppe zu sein.
Diese dilettantischen Fahndungs- und Durchsuchungsmethoden überraschen uns einwenig. Ist die BAW doch nur ein Papiertigerchen, das periodisch demonstrativ die Krallen ausfährt ohne etwas zu reißen? Ist das alles nicht mehr als ein plumper Kriminalisierungsversuch, der selbst vor den Gerichten, falls es überhaupt zu irgendwelchen Anklagen kommen sollte, nicht einfach durchzudrücken sein wird. Dann bleibt noch die Einschüchterung, und der Versuch, den Anti-G8-Protest nach dem liebgewordenen Gut-Böse-Schema zu gliedern. Wir haben verstanden, dass sich Schäuble & Co. als Gastgeber, die für die Sicherheit zuständig sind, nicht lumpen lassen wollen und im Vorfeld des G8-Gipfels pro forma die Repressionspauke spielen müssen, um Distinktionsgewinne oder was auch immer von den honorigen Amtskollegen der anderen Industriestaaten abgreifen zu können.
Seit dem Auflösungs- und Zersetzungsprozess ehemaliger Stadtguerillastrukturen in der BRD in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts musste der „niedrigschwellige“ militante Widerstand ins Visier des Fahndungs- und Vorfolgungsapparates der BRD geraten. Zum einen waren bestimmte Staatsschutzabteilungen in ihrem Fortbestand zu sichern, zum anderen mussten neue Aufgabenfelder gesucht bzw. die Gewichtung „staatsgefährdender Bestrebungen“ verschoben werden. Von daher folgt es dieser Logik, wenn wir und andere militante Genossinnen zu einer „terroristischen Gefahr“ für den BRD-Staat stilisiert werden, es ist halt auch nichts anderes an Gruppenstrukturen vorhanden, die man zur Zielscheibe machen könnte. Es wird genommen, was zu kriegen ist.
Bislang kann man nach dem medial 1a lancierten staatlichen Großaufgebot einzig die Intention von BAW und BKA herauslesen, in vermeintliche „Gewaltnester“ hineingepiekst zu haben, um zu gucken, ob sich da etwas bewegt. Dazu wurde extra der „Anfangsverdacht“ der Existenz „terroristischer Vereinigungen kreiert. Reine Blindflugeinlagen, die uns den 9. Mai beruhigt überstehen ließen. Noch plausibler ist allerdings, dass die notorischen DatensammlerInnen des BKA diese Razzia brauchten, um überhaupt an einen relevanten Bestand an neuen Informationen zu gelangen, mit denen künftig Razzien zielgerichteter gestaltet werden könnten.
Natürlich hat sich das Hofblatt aus der Konrad-Adenauer-Centrale der CDU, Fokus, mit einer Meldung hervorgetan (12.05.07), wonach angeblich bei „militanten G8-Gegenern Zubehör für Brand- und Sprengvorrichtungen“ gefunden wurde. Diese in die Welt gesetzte Nachricht erfolgt exakt in dem Moment, als den Kommentatorinnen von Presse, Funk und Fernsehen aufgegangen ist, dass die HGB zusehends in die Defensive und in Erklärungsnotstand geraten ist, ob der völligen Haltlosigkeiten des schwerwiegenden Vorwurfs des „Terrorismus“. Allerdings war diese Hilfestellung von Focus-Markwort nur eine Frage der Zeit.
Wir fragen uns: Haben wir BAW, BKA und Konsorten all die Jahre völlig überschätzt, uns ein ums andere mal umsonst in die Hose geschissen? Ihr Pfeifen! Oder haben sie sich selbst nur unter einen enormen Erfolgsdruck gesetzt, unbedingt vor dem Gipfel mal so richtig öffentlichkeitswirksam in Szene zu treten – einfach mal Schlagzeilen produzieren und gucken, ob was passiert? Wir wollen uns an dieser Stelle nicht weiter den Kopf der Fahndungs- und Verfolgungsapparate zerbrechen, um zu begreifen, was der Lärm am 9. Mai bezwecken sollte. Zu fragen bleibt: Kommt da noch was nach, oder war’s das für die nächsten Jahre??
Wir für unseren Teil bleiben – natürlich – hellwach und andächtig bei der Sache und nehmen die repressiven Staatsapparate der BRD jede Sekunde äußerst ernst. In all den Jahren sind wir damit recht gut gefahren. Zwischenfazit: Wir machen munter weiter – wir hören voneinander!
Bei den Kommentatorinnen vor allem „renommierter“ Medien steigt mehr und mehr der Verdacht auf, dass die neuerliche „Aktion Wasserschlag“ einen gegenteiligen Effekt erzielen könnte. Keine Festnahmen von „TerroristInnen“, keine Hinweise auf einen bevorstehenden „Terrorakt“. Das Phantasieprodukt einer „terroristischen Vereinigung“ ist selbst bei den Verfechterlnnen des staatlichen Gewaltmonopols, die jederzeit in die Bresche springen, wenn dieses angetastet zu sein scheint, kaum plausibel zu machen. Das eigentliche Ungemach droht, wenn die „zersplitterte Linke“ sich nicht in Grabenkämpfen verausgabt, sondern enger zusammenrückt und es aufgrund der innerstaatlichen Feinderklärung (Prof. Peter Brückner) zu Solidarisierungseffekten untereinander kommt. Gut, die inhaltlichen Differenzen zwischen dem Reformspektrum und der revolutionären Linken werden dem Ganzen Grenzen auferlegen, so dass es zu keiner all zu weitgehenden Verschmelzung kommen wird – daran wird auch beiderseits wegen der Unvereinbarkeiten kein gesteigertes Interesse bestehen.
Dennoch ist von unserer Seite der durch die BAW ins Spiel gebrachte Ball aufzunehmen, denn „Vorlagen des Gegners „muss man verwerten“, um ein Interviewfetzen Werner Rätz von Attac aufzugreifen Allerdings ergibt sich hier die Diskrepanz, welche Intentionen man mit der Ballbehauptung verfolgt. Wir wollen diesen BAW-Angriff auf linke Strukturen und die Frage der Militanz Im Kontext des G8-Gipfels nutzen, um unsererseits ein paar Positionen abzustecken. Es ist unserer Ansicht nach überfällig, dass sich jene Zusammenhänge aus der revolutionären Linken zu der „Gewaltdebatte zu Wort melden, über die in der Regel sinnfrei in den Gazetten fabuliert wird. In den letzten Wochen sind verschiedentlich Artikel quer durch alle Tageszeitungen platziert worden, in denen die Frage nach dar Rolle von Militanz Im Rahmen aktuellen Anti-G8-Mobilisierung aufgeworfen wurde. Nicht selten wurde die Relevanz von Militanz sensationalistisch überhöht bzw. die mediale Blase einer militanten Kampagne geschaffen. Diese „militante Kampagne“ hat sich derart in ihrer Bedeutung verselbständigt, dass sie für die umfassendste Kriminalisierung der Linken seit Jahren herhalten muss.
Dass, was augenfällig fehlt, ist eine authentische Positionierung von militanten Gruppenzusammenhängen zu dem Komplex „Gewaltdebatte und militante Kampagne“. Das wollen wir für unseren Teil hiermit nachholen.
2) Das Gerangel um die Definitionshoheit über die „Gewaltfrage“
Seitdem der diesjährige G8-Gipfel seine langen Schatten voraus wirft und wir nur noch ein paar mal schlafen müssen bis es soweit ist, mussten relevante politische Differenzen und Unvereinbarkeiten hervortrete. Das ist kein Problem, sondern Ergebnis eines versuchten Klärungsprozesses innerhalb der Spektren der (revolutionären) Linken.
In den vergangenen zwei Jahren haben sich verschiedene Bündnisse herausgebildet – allseits die üblich Verdächtigen von Aalräuchereien bis Zylinderstifte. Vom Reformspektrum aller Schattierungen bis zu den Strömungen der revolutionären Linken sind alle dabei ihr Marschgepäck zu schultern. Und alle diese Gruppen und Bündnisse verfolgen Interessen, versuchen bestimmte Inhalte zu monopolisieren oder zumindest tendenziell zu dominieren. Und dieses Gerangel um das „letzte Wort“ dreht sich immer wieder gerne um die „Gewaltfrage“. Es kam, wie es kommen musste und man hätte die Uhr danach stellen können: Fristgerecht wurde die Karte mit der „Gewaltdebatte“ gezückt, die schon immer dazu herhalten konnte, eine Diffamierungsoffensive gegen antagonistische teile einer sozialen Bewegung oder eines Protestbündnisses einzuleiten. Fürwahr ein Klassiker Innerlinker Auseinandersetzungen. Nach seltsam bekanntem Drehbuch werden jene in Misskredit gebracht, die eine grundsätzliche Kritik an den herrschenden Zuständen formulieren und entsprechende Interventionsformen in ihrem Repertoire haben. Der Konformismus wird im Gegensatz zu „konstruktiven Protest“ stilisiert; kein Wunder, denn dieser ist ein hübsches wie belangloses Accessoire einer „Streitbaren Demokratie“. Erst in den vergangenen tagen nach dem BAW-Angriff hat sich Berlins Innensenator Körting dafür stark gemacht, genau diesen unter seine Obhut zu nehmen und vor einer „Kriminalisierung“ zu bewahren. Man kann nicht sagen, dass sich Körting nicht für ein Protestventil einsetzt, denn er hat als jemand, der nicht ganz auf den Kopf gefallen ist, begriffen, dass die Dämonisierung jeglichen Widerspruchs schnell nach hinten losgehen kann.
Die Kader von Attac & Co. sind natürlich als wackere Protestlerlnnen in der vordersten Reihe zu finden, wenn es darum geht, Meinungen zu produzieren und in das Blitzlichtgewitter einzutauchen. Wahl, Giegold & Co. exerzieren uns seit Jahren gekonnt vor, wie man als erster am Katzentisch dar Macht platz nimmt, Nun gut, damit war ja zu rechnen. Zu rechnen war auch damit. dass sich irgendein Berufener aus der Regieabteilung von Attac zu Aussagen zu einem Themenkomplex hat hinreißen lassen, von dem er als Vertreter der organisierten Friedfertigkeit nix verstehen kann: die besagte „Gewaltdebatte. Podram Shahyar, der das Amt eines der G8-Koordinatoren bei Attac bekleidet, lässt sich in der taz vom 17.3.2007 folgendermaßen: „Attac hat immerklar gesagt, dass von unseren Aktionen keine Gewalt ausgehen wird. Das heißt: bei allen Bündnissen, an denen wir uns beteiligen, wird dies auch sichergestellt. Insofern wird es in Heiligendamm keine Gewaltwelle geben. Ganz im Gegenteil: Wir werden große Demos und entschlossene Aktionen haben. Aber noch mal: Von uns wird keine Gewalt ausgehen“.
Upps, endlich mal jemand mit eindeutigen Prinzipien – vor allem dem Prinzip, wie ich am direktesten in den Dickdarm des Apparates gelange, dass es nur so flutscht. Ein Musterbeispiel von vorrauseilendem gehorsam wie man es sich als Verantwortlicher der BRD-Sicherheitsbehörden nur erträumen kann. Der Führungszirkel von Attac hat die Regeln der FDGO wirklich inhaliert – Attac als protesteigener Sicherheitsdienst.
Dieser sog. Attac-Koordinationskreis setzte dann mit einer Erklärung noch eins drauf, in der der interessierten Öffentlichkeit mitgeteilt wurde, dass „Attac nicht zu Aktionen zivilen Ungehorsams aufrufen (kann)“. Überraschend war dieses Statement nach dem Bußgang eines Shahyar nicht. Das Glanzstück des Opportunismus wäre aber nicht zu Ende gespielt, würde da nicht einige Tage später eine Rolle rückwärts präsentiert. Offenbar gab es ob der Arschkriecherei doch auch intern etwas Gegenwind, so dass die Flügel neu justiert werden mussten, um verspielten Kredit zurückzugewinnen. Nun wurden in einer Attac-Stellungnahme „Aktionen des zivilen Ungehorsams“ für „legitim“ erklärt. Attac-Giegold ließ es sich selbstredend nicht nehmen, uns auch gleich in einem Exkurs wissen zu lassen, dass die Begründer des zivilen Ungehorsams bei Gandhi und der US-Bürgerrechtsbewegung zu suchen seien. Und in dieser Erbfolge sehe sich natürlich auch Attac. Auch Shahyar durfte sich in einem junge Welt-Gastbeitrag einige Tage später in einer rebellischeren Pose zeigen. Er betont, dass es eine „Selbstverständlichkeit“ sei, dass in Heiligendamm „Menschen aus kirchlichem Spektrum mit der Antifa und Attac demonstrieren“. Auch müssen „radikale Antworten“ gegenüber der Politik der „G8 als Imperialer Institution der Westens“ gefunden werden. Da will es wohl jemand allen recht machen. Uns ist das nachträgliche Relativieren der Floskeln aus dem taz-Interview einfach zu kalkuliert, als dass wir es Shahyar abnehmen wollen und können.
Im Zusammenhang mit dem BAW-Angriff auf Strukturen der Anti-G8-Protestbewegungen kamen die Attac-ManagerInnen dann nicht umhin, sich zeitweilig und punktuell jovial gegenüber etwaigen „Gewalttätigkeiten“ von G8-GegnerInnen zu zeigen: „Letztlich kann man bei den Zigtausenden von Menschen“, so Werner Rätz im Berliner Tagesspiegel (13.5.07), „die anreisen werden, nicht für jeden die Hand ins Feuer legen“. Wie erwartet werden durfte, folgte prompt ein weiteres opportunistisches Purzelbäumchen: auf der Pressekonferenz für die am 2. Juni angesetzte Grossdemonstration in Rostock konnte Rätz der Medienschar mitteilen, dass ein eigens eingerichteter „Ordnerdienst“ dafür sorgen werde, potentielle Störungen aus Kreisen der Demonstrierenden zu unterbinden (vgl. Berliner Zeitung, 23.5.07).
Der Groschen wird bei Rätz & Co nicht mehr fallen, dass der friedfertige Charakter der eigenen Aktionen nicht im Ansatz eine Garantie dafür ist, nicht mit Repressionsmaßnahmen überzogen zu werden. Im Gegenteil, diese Verlautbarungen sind für uns alle ein weiterer Beleg dafür, dass es Attac zwar um eine schillernde Außendarstellung geht, schließlich sind zahlungskräftige Karteileichen für den Mitgliederbestand zu rekrutieren und üppige Spendengelder zu akquirieren, aber letztlich eine Protestsimulation vorgetragen werden soll, die uns wehrlos macht und uns bspw. gegenüber Bullenangriffen schutzlos ausliefert. Wir können nur sagen, dass man außerordentlich viel aus dem Topf mit der Aufschrift“ Naivität“ probiert haben muss, wenn man meint, mit dem rituell vor sich hergetragenen Friedensengel Schäubles Truppenkontingente beschwichtigen zu können. Ein Schlagstock zwischen die Rippen wirkt da manchmal Wunder und hilft auf die Sprünge, dass das Dogma der „Gewaltlosigkeit“ abzulegen ist – das ist auch eine Frage der (selbst-) Emanzipation gegenüber dem Staatsmonopol auf Gewaltanwendung.
3. Unterschiedliche Reaktionen aus den linken Spektren
Wir müssen unterscheiden zwischen den Reaktionen auf die durch Attac-VertreterInnen provozierte „Gewaltdebatte“ und den Reaktionen nach dem BAW-Angriff. Möglicherweise spiegelt sich hier eine Verschiebung der Gewichte innerhalb des sehr vielschichtigen anti-G8-Protestes wider. Denn die Antworten aus der marginal eingestuften Linken auf das Husarenstück der HGB war für alle beteiligten nicht vorherzusehen. Dass es innerhalb weniger Stunden gelang, mehrere Tausend AktivistInnen in verschiedenen Städten der BRD auf die Straße zu bringen und gegen den BAW-Angriff zu mobilisieren, hat für eine allgemeine Überraschung gesorgt. Diese spontane und doch Ergebnis eines systematischen Strukturaufbaus der letzten Jahre gewesene Mobilisierungsfähigkeit stimmt einen/eine optimistisch. Es ist (wieder) möglich, eine groß angelegte Kriminalisierung mit einem beachtlichen Gegenpotential zurückzuweisen.
Die militanten Aktionen, die eine direkte Antwort auf die BAW-Razzia waren, haben sich auf die Administration (Farbanschlag auf Innenministerium in Stuttgart), die mediale Hetze (Brandanschlag auf PKW des Chefredakteurs von Bild) bzw. die ausführenden Repressionsorgane (Bundespolizeifahrzeuge in Göttingen, Bullen-Mannschaftswagen in Berlin) bezogen. Selbst in mehreren europäischen Nachbarländern (z.B. Österreich) und bis ins mittelamerikanische Nikaragua gab es z.T. militante Reaktionen auf einen der umfassendsten Repressionsschläge der BRD-Geschichte. Zumeist waren hier deutsche Vertretungen Ziel der internationalistischen Solidarität.
Jetzt wird es darauf ankommen, diesen Schub zu bewahren und nach Möglichkeit zu verstärken. Dies schließt explizit gezielte militante Interventionen mit ein, um eine sozialrevolutionäre und antiimperialistische Befreiungsperspektive auf kommunistischer Grundlage zu vermitteln. Dies auch deshalb, um die aktuellen Potentiale und Grenzen militanter Politik in der BRD für uns selbst als revolutionäre Linke zu kennzeichnen und um die Defizite auszuloten, die einer stabilen Koordinierung klandestiner Zusammenhänge nach wie vor im Weg stehen. (vgl. Abschnitt zur „militanten Kampagne“). D.h. mit der „Gewaltfrage“ argumentativ offensiv umgehen, ihre Beantwortung als unsere Reaktion auf Ausbeutung und Unterdrückung verstehen, sich nicht ins Abseits der angeblichen „EskaliererInnen“ stellen lassen, sondern durch die eigene politische Praxis verdeutlichen, dass das, was ein gewisser Herbert Marcuse formulierte, weiterhin Gültigkeit beanspruchen kann: „Die Konterrevolution ist weitgehend präventiv, in der westlichen Welt ist sie das ausschließlich. Hier gibt es keine neuere Revolution, die rückgängig gemacht werden müsste, und es steht auch keine bevor. Und doch schafft die Angst vor der Revolution gemeinsame Interessen und verbindet verschiedene Stadien und Formen der Konterrevolution von der parlamentarischen Demokratie über den Polizeistaat bis hin zur offenen Diktatur“. Und der BAW-Angriff ist ein klassisches Beispiel der Methoden einer staatlichen präventiven Konterrevolution, die in Intervallen gegen die revolutionäre Linke in Stellung gebracht wird. Wir sagen, dass das im Sinne der Aufrechterhaltung des Status quo von kapitalistischer Ausbeutung und imperialistischer Unterdrückung folgerichtig ist, einem Schutzreflex entspricht. Wir für unseren Teil haben – sozusagen als Aufbau unseres „Schutzreflexes“- unseren Organisierungsprozess in der revolutionären Linken weiter zu festigen und perspektivisch deutlich in die marginalisierten und deklassierten gesellschaftlichen Sektoren zu erweitern.
Lasst uns zu der von Attac angestoßenen „Gewaltdebatte“ bzw. den Erwiderungen zurückkommen. Um den Attac-Vorstoß der Definitionshoheit über die „Gewaltfrage“ auszukontern, gibt es einige wenige Reaktionen. Am meisten Publizität erhielt die Stellungnahme der antifaschistischen Linken Berlin (ALB), die z.B. von der primär in Norddeutschland aktiven gruppenübergreifenden Struktur avanti unterstützt wurde. Darin wird die Bewegungsvielfalt der Gipfelproteste von pazifistisch bis militant verteidigt und gegen die Aussage Shahyars argumentiert, die „zu Anschlägen“ aufgebauschten „Direkten Aktionen“ würden die Mobilisierungsfähigkeit des anti-G8-Protestes konterkarieren. Ganz richtig wird die Forderung nach „Gewaltfreiheit“ an die „Verantwortlichen der G8-Staaten und ihres Polizei- und Militärapparats“ adressiert.
Allerdings ist das dann auch schon das einzig Positive, was wir aus dieser ALB-Entgegnung herausziehen können, denn ansonsten ist die Erklärung äußerst lau. Da wird die Funktion militanter Interventionen bzw. Formen direkter Aktionen, von denen sich die ALB gleich (taktisch durchaus nachvollziehbar) im Nebensatz abgrenzt, auf einen gesundheitsgefährdenden Akt der Überstrapazierung von Stimmbändern reduziert. Diese Aktionen seien „ der laute Aufschrei, der nötig ist, um sich im sensationslüsternen Medienmarkt gegenüber den Belanglosigkeiten der Christiansens, Pilawas, Kerners und wie sie sich sonst noch nennen, Gehör zu verschaffen“. Darüber hinaus seien virtuelle Bewegungen wie Attac de facto das Produkt der „militanten Auseinandersetzungen anlässlich der Gipfel der vergangenen Jahre in Seattle, Prag, Göteborg und Genua“.
Nun wissen wir, dass die ALB alles andere als ein homogener Gruppenzusammenhang ist. Wir wollen da auch gar nicht einzelnen GenossInnen an den Karren fahren. Wer/welche weiß, wer/welche sich diese Stilblüten der Funktionsbeschreibung von Militanz hat einfallen lassen und wie diese konsens- und beschlussfähig wurden, aber dennoch lassen uns solche Ausführungen vor dem Hintergrund der Militanzdebatte seit 2001 einigermaßen ratlos zurück. Eine derart verkümmerte Interpretation von Sinn & Zweck militanter Politik haben wir selbst in Papieren, die uns sehr kritisch gesonnen sind, schon lange nicht mehr lesen müssen. Des Weiteren verzichten wir als Militante gerne darauf, als „Attac-Geburtshelferin“ geschichtsmächtig zu werden.
Aber möglicherweise kommt diese schriftliche Erwiderung der ALB für eine Gruppierung, die sich in dem neu alten „zentristischen Projekt der sogenannten Interventionistischen Linken (vgl. z.B. unseren Text zum IL-“Vordenker“ und früheren Mitbegründer der „autonomen lupus-Gruppen“ Wolf Wetzel, Interim 621, 1.9.05) eingefunden hat, nicht von ungefähr. Im Spektrum derer, die über diverse Verbindungslinien eine Reichweite in die revolutionäre Linke hinein haben, können solche Gruppen wie die ALB nur als politisch unsichere Kantonisten gelten. Rückblende: in diesem Zusammenhang ist es kein Ausrutscher, wenn die ALB in Kooperation mit dem PDS-Europaabgeordneten Tobias Pflüger Anfang vergangenen Jahres eine Veranstaltung zum Thema „Problem Polizei – Schläger mit Lizenz?“ durchgeführt hatte, bei der der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch offensichtlich stillschweigend eingeladen wurde. Ja, der Glietsch, dem wir im April 2006 ein feuriges Präsent knapp unterhalb seines Bürotisches abgestellt hatten. Schon komisch: die einen halten einen lockeren Plausch mit Glietsch sozusagen auf Augenhöhe zwischen Krawallo/a und Ordnungshüter; die anderen dagegen nehmen seine Funktion als oberster Hordenführer ernst, was u.a. heißt, die wohl und manchmal schlecht behütete Infrastruktur des Bullenchefs zu tangieren. Statt Dialogsuche ist uns in diesem Fall mehr nach unübersehbarer Grenzziehung. Selbst die KollegInnen von „autopool“, mit denen die ALB zwischenzeitlich das linksradikale Projekt „Act!“ initiierte, war über diesen Schmusekurs nicht sehr erfreut und bekundete dies in einem Schreiben (vgl. Interim 634, 6.4.06) auch recht deutlich. Eine (öffentlichre) Antwort blieb die ALB unseres Wissens schuldig.
In dieses Raster passt auch, dass der ALB-Doc und Anmelder der diesjährigen „revolutionären 1.-Mai Demo“ auf die Frage, was denn „Revolution“ im Kontext dieser Demonstration bedeute, sinngemäß zu Protokoll gab, dass es um „Lehrmittelfreiheit und gegen Privatisierungen“ gehe. Diese „Revolution“ bewegt sich dann auf einer romantizistischen Sozialstaatsidee á la Fontaine. Soziale Entrechtung und sozialstaatliche Bevormundung in milderem Gewand statt Aushebelung des Status quo zugunsten des Kampfes um generelle Egalität. Wir haben uns nie gegen Übergangsforderungen ausgesprochen, aber einer völligen Verwässerung des Inhalts von „Revolution“ können wir nicht stattgeben.
Summa summarum ist die ALB, ohne dass wir uns auf diese Combo hier und jetzt einschießen wollen, nur sehr bedingt eine Verfechterin revolutionärer Politik im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Reformspektrum anlässlich der G8-Tagung. Infolgedessen halten wir es für zentral, dass sich militante Zusammenhänge innerhalb dieser ausgebrochenen „Gewaltdebatte“ einschalten und das Feld nicht denen überlassen, von denen nur ein sehr salomonischer Beistand kommen kann. Eine Interessenvertretung sollte auch in diesem Fall von denen erfolgen, die direkt in Ihrer Politik tangiert werden.
Während sich einige Gruppenzusammenhänge in die „Gewaltdebatte“ eingeschaltet haben, haben sich andere nach außen hin völlig stillschweigend verhalten. Hierzu zählt u.a. Libertad! In der aktuellen Ausgabe der Libertad!-Zeitung „so oder so“ (Nr. 17, Mai/Juni 07) wird in einem Selbstinterview auf einige Aspekte eingegangen, die sich aus der „Gewaltdebatte“ ergeben haben. So heißt es in Bezug auf die „Gewaltdebatte und Attac“. „Es ist völlig klar, dass Attac militante und direkt eingreifende Aktionen weder gut heißt noch betreibt. Insofern ist jeder Versuch, ihnen abzuringen, dass sie das doch eigentlich gut heißen sollen, ein aussichtsloses Unterfangen und wird von uns auch nicht betrieben.“ Ja, einen „pädagogischen Auftrag“ gegenüber Attac oder ähnlich orientierten Gruppierungen sehen wir auch nicht. Aber geht es darum überhaupt? Wir meinen nein. Entscheidend finden wir, dass wir als revolutionäre Linke den ritualisierten Beschwörungsformeln der „Gewaltlosigkeit“ politisch entgegentreten, und dies vor allem dann, wenn über eine „Gewaltdebatte“ bestimmte Positionierungen gegenüber dem staatlichen Gewaltmonopol marginalisiert werden sollen. Es ist aus unserer Sicht nicht tolerierbar, wenn auf Pressekonferenzen oder in sonstigen Veranstaltungen aus dem NGO-Spektrum Militante faktisch zum „Gefahrenpool“ bspw. eines „friedlichen Verlaufs‘ einer Demonstration stigmatisiert werden. Wir sind kein „Problemfall, der irgendwie durch Absprachen mit den Bullen, eigenen Ordnerdiensten oder sonst wie zu bändigen wäre. Wir hätten uns gewünscht, wenn das auch von einer Struktur wie Libertad! unüberhörbar geäußert worden wäre.
Nun schreiben die Genossinnen von Libertad! Hinsichtlich des in letztem Jahren öfter und stärker formulierten „Reformismus“-Vorwurf in der besagten „so oder so“-Nummer, dass „die Frage revolutionärer Gewalt und ihre Rolle im Klassenkampf bei Libertad! quasi schon per ‚Satzung‘ prinzipiell klar (ist). Das wissen alle, das muss man nicht mit jedem Satz hinaustönen oder in Widerspruch zur Praxis anderer bringen“. Auch diese Ausführung, die offenbar bzgl. einiger Aspekte der Libertad!Politik Deutlichkeit bringen sollte, hinterlässt Ungereimtheiten. Ihr werden GrenossInnen (einschließlich uns) zugestehen müssen, dass nicht jeder/jede Eure „Satzung“ und die darin fixierte „Rolle revolutionärer Gewalt im Klassenkampf“ kennt. Deshalb können wir nicht sehen, warum es falsch sein sollte, diese „satzungsgemäße“ Position anlassbezogen mal in einer Wortmeldung einzustreuen Auch deshalb, um möglicherweise aufgekommenen Irritationen, was die eigene Politik betrifft, die vielleicht nicht immer so „identifizierbar und nachvollziehbar“ ist, wie ihr meint, den Boden zu entziehen.
Wir wollen nicht korintenkackerisch sein, aber wenn ihr zum Thema „revolutionäre Gewalt“ in einem und demselben Satz das Prinzipielle mit einem Quasi versöhnt, dann macht uns das aufgrund der impliziten Relativierung stutzig. Natürlich kann es nicht um einen habituellen Politikersatz gehen, indem man seinen „Revolutionsanspruch“ bei jeder passenden und/oder unpassenden Gelegenheit „hinaustönt“. Aber wieso ist es nicht angezeigt, die eigene Politik, wenn begründete Diskrepanzen als tatsächlich gegeben anzusehen sind, „in Widerspruch zur Praxis anderer zu bringen“? Wir dachten bisher, dass sich nur in der Praxis neue Prinzipien entwickeln können, sich als probat oder auch nicht herausstellen. Die Überprüfung der eigenen Methoden in der Aktion, in der Konfrontierung mit dem Status quo eines sicherheitstechnisch ausgefeilten Sicherheitsstaates, bestätigt oder verwirft diese. Dabei stehen unsere politischen Prinzipien genauso auf dem Prüfstand wie alle anderen auch. Unsere Erfahrungswerte besagen (bislang), dass ein Klassenstaat eine pazifistische Grundhaltung sehr gut verkraften und in sich verstauen kann. Was sollte uns daran hindern, diese Position „in Widerspruch zur Praxis anderer zu bringen“??
Wir befürworten, trotz bzw. grade wegen der von uns als „Misstöne“ eingebrachten Aussagen, das Näheraneinanderrücken von großen Teilen der (revolutionären) Linken. Auch wir halten das Zurückstellen von eingeübten Ränkespielchen, die uns in erster Linie nur Kraft und Zeit rauben, vor dem Hintergrund des BAW-Angriffs für absolut erforderlich. Nur ist es (wieder einmal) an der Zeit, dass wir uns speziell in den Kreisen der revolutionären Linken darüber verständigen wie sich hier in der BRD antagonistische Politik artikulieren muss, damit sie sich erstens vor dem staatlichen Zugriff so gut wie möglich schützt und zweitens nicht in den Strudel des reformerischen Mitmachens und Sanierens gerät. Die Neuauflage der „Aktion Wasserschlag“ kann hier eine „heilsame Wirkung“ haben.
Uns ist auch klar, dass wir als revolutionäre Linke insgesamt auf potentielle Folgeschläge durch BAW und BKA eingestellt sein müssen; dass wir einen hohen Grad an Solidarität und Kollektivität wahren müssen, um dem Apparat seine Angriffslust zu nehmen. Und das gelingt uns dann am entschiedensten, wenn wir unsere politischen Gemeinsamkeiten nicht auf Sand bauen und über die Gemeinsamkeit des kollektiv Angeriffenwerdens hinaus interventionsfähige Grundlagen schaffen. Gegenseitige Kritik ist da kein Störfeuer, sondern eine Vorbedingung, gemeinsam Schritte zu gehen.
4. Kampf dem Gewaltmonopol des Staates auf allen Ebenen – Befriedungskonzepte unterlaufen!
Für eine revolutionäre Linke, die für eine ausbeutungs- und unterdrückungsfreie sowie eine klassen- und staatenlose Gesellschaftsform – für den Kommunismus – kämpft, kommt die Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols einer Bankrotterklärung gleich. Der historische und vor allem blutig errungene Übergang des Feudalismus zur kapitalistischen Eigentums- und Gesellschaftsordnung ist nicht der soziale Endzustand. Hin und wieder ist eine Erinnerungshilfe für die ApologetInnen dieses Status quo vonnöten, damit ihnen klar wird, dass ihr Gesellschaftsentwurf einer auf Zeit ist. Ihnen scheint dieser Sachverhalt (latent) bewusst zu sein, sonst wären ja die Bataillone der offenen und strukturellen Gewalt sowie die daraus resultierende Schaffung eines zustimmenden hegemonialen Konsens als Garanten dieser Form des sozialen Gegeneinanders und Ausgrenzens nicht installiert worden.
Wir dürfen uns nicht von dem Treppenwitz einfangen lassen, der uns mitteilt, dass das staatliche Gewaltmonopol eine neutrale Instanz des Konfliktmanagements sei. Wir können nicht jenen die Definition Gewalt/ Nichtgewalt überlassen, die darüber befinden, den tagtäglichen kapitalistischen Horror die rechtliche Weihe zu geben und zu verewigen. Die Unterdrückten und Ausgebeuteten der Welt hatten und haben nie die Wahl zwischen gewaltvoll und gewaltlos; sie waren und sind mit dem permanenten Ausnahmezustand konfrontiert, überflüssig zu sein. In vielen Winkeln diese kapitalisierten Globus wird ihnen das nackte Existenzrecht abgesprochen. Es ist blanker Zynismus in einem kapitalistischen Klassenstaat zu predigen, wo nur der inhaltlich bestimmte und an Kriterien gebundene Einsatz revolutionärer Gewalt potentiell in Aussicht stellt, Schritte zur Befreiung zu gehen.
Auf den aktuellen Fall des BAW-Angriffs bezogen, ist es angezeigt, sich den vor uns ausgebreiteten Realitäten zu stellen und den irreführenden Idealismus zu überwinden. Der BAW weiterhin mit offenherzige Güte und Milde entgegenzutreten zu wollen, kann nur noch skurril wirken. Harms und Griesbaum haben ihren staatsterroristischen Apparat mit dem Auftrag in Bewegung gesetzt, uns und Euch nachhaltig zu treffen, und sie werden es wieder und wieder tun – das nächste mal eventuell auch ausgeschlafener.. D.h., dass sich die Ideale der Fried- und Gewaltlosigkeit vor der erdrückenden SelbstHERRlichkeit der repressiven Staatsapparate in schlechter Regelmäßigkeit blamieren werden, ja blamieren müssen. Weiterhin und/oder überhaupt eine „Gewaltverzichtserklärung“ bspw. In Bündnissen von allen beteiligten Gruppen und Strömungen einzufordern, muss als ein Affront gegenüber einem politischen Verständnis gewertet werden, dass für die Zerschlagung der monopolisierten staatlichen Gewaltmaschinerie steht.
Die Ereignisse, also der BAW-Angriff und weitere im Gange befindliche Repressionsmaßnahmen haben den pazifisieren Gestus von Attac und ähnlich orientierten Gruppen längst überholt. Es ist an der Zeit – trotz der Trägheit des Bewusstsein – für eine „Anpassungsleistung“ an das, was an Repressionsinstrumentarium aufgeboten wurde und wird. Dazu gehört zuerst, wegzukommen von Appellen und Petitionen und zu erkenn, dass wir mit einer materiellen Gewalt konfrontiert werden, für die es in der bundesrepublikanischen Geschichte keinen Vergleich gibt. Ist das realisiert, sind wir schon ein gutes Stück weiter, denn wir haben damit begriffen, dass unsere Einsichten aus den Ereignissen zu ziehen sind und nicht umgekehrt unsere Wunschvorstellungen Einfluss auf die Gegebenheiten haben. Nicht wir als Militante befinden uns in einer Rechtfertigungsfalle, was unser Tun & Lassen betrifft. Nein, die die sich hinsichtlich der gezielten und reflektierten Anwendung von Methoden revolutionärer Gewalt querstellen, blockieren im wörtlichen Sinne. Und das werden wir nicht akzeptieren können, da wir uns damit nur selbst entwaffnen würden, und sich nichts substanziell bewegen lassen wird in Richtung einer egalitären Gesellschaftsform.
Wir reden an dieser Stelle keine „Gewaltexzessen“ nach dem Motto „destruction is creation“ das Wort. Wenn sich eine egalitäre Gesellschaftsform prozesshaft ohne eine existenzielle klassenkämpferische Konfrontation herausbilden könnte, sind wir sofort dabei. Wir sind keine PredigerInnen irgendeines obskuren Totenkultes. Denn wir wissen, was es bedeutet, wenn Genossinnen (gewaltsam) aus unserer Mitte gerissen werden. Wenn wir um das alles herumkommen sollten, werden wir nicht zögern diesen Weg zu gehen. Nur lässt uns die Einsicht in die realexistierenden Bedingungen eines Klassenstaates nicht los. Was auch gut so ist, denn das schärft die Blicke für Notwendigkeiten und macht uns nicht müde vor den Herausforderungen des revolutionären Aufbauprozesses. Ausdruck dieses Klassenstaates ist u.a., wenn Schäuble und sein Stab die Daumenschrauben selbst gegenüber friedlich deklarierten Protestformen merklich anziehen; sie leisten im Sinne der Verteidigung und Wahrung ihrer klassenspezifischen Interessen ganze Arbeit. Vor dem Hintergrund ist es fahrlässig und utopistisch, sich durch die Bekundung der eigenen politischen Harmlosigkeit etwas versprechen zu wollen.
Wir haben schon oft ausgeführt, dass wir den InhaberInnen, VertreterInnen und NutznießerInnen dieses Gewaltmonopols nicht absprechen können, davon Gebrauch zu machen. Im Gegenteil, sie handeln auf ihre Art und Weise rational, denn es geht um ihre klassenspezifische Besitzstandswahrung. Der entscheidende Punkt in dieser Konfrontation ist, dass wir als revolutionäre Linke vom Prinzip her „SpielverderberInnen“ sind; es sind nicht unsere Interessen, die über dieses Gewaltmonopol gewahrt werden, es bringt uns nur, falls uns der zupackende Arm des Gesetzes einmal erreichen sollte, in die freigewordenen Zellen der Isolationstrakte.
Wie gesagt, wir skandalisieren hier nichts. Allerdings verbitten wir uns die albernen Vorhaltungen, dass wir nicht brav und tatenlos zusehen, wie denjenigen – also auch uns – , die nichts aus ihrer Arbeitskraft feilzubieten haben, mehr und mehr die sozialen und materiellen Grundlagen genommen werden. Man kann uns nicht ernsthaft vorwerfen, eine auf Gewaltverhältnissen beruhende Sozialordnung umwerfen zu wollen. Dem Klassenkampf von oben kann nur der Klassenkampf von unten als Antwort folgen. Und dies kann nur bedeuten, den repressiven und ideologischen Apparaten des Klassenstaates in jeder Hinsicht die Akzeptanz aufzukündigen und sie in letzter Konsequenz politisch-militärisch in die Schranken zu weisen. Billiger wird erfahrungsgemäß die Perspektive des Kommunismus nicht am Horizont aufscheinen.
Diese Einsicht wird dann vernebelt, wenn der repressiven Peitsche das süße Zuckerbrot von Staatswegen ausgepackt wird. Die Komplizenschaft auch derer, die formal ganz unten auf der sozialen Skala stehen, ist (historisch) bekannt. Alle müssen sich irgendwie verkaufen, um unter diesen Bedingungen existieren zu können. Da kann man schnell den persönlichen Eindruck gewinnen, dass es egal ist, wenn man sich – um ein seit einigen Jahren aktuelles Beispiel zu nennen – über das Trittbrett „Myfest“ aus der sozialen Sackgasse schifft, um in einer Security-Klitsche zu landen. Die Rechnung der Komplizenschaft und aktiven Teilnahme an diesem Befriedungsprogramm nicht unbedeutender Kreise des „Kreuzberger Kiezes“ musste aufgehen, da solche Projekte immer in gewissem Maße aufgegangen sind.
Die Funktion des Befriedens und Kanalisierens von sozialem Protest erfüllt hinsichtlich des anstehenden G8-Gipfels in Bilderbuchform eine Struktur wie Attac. Einerseits der Versuch der Hegemoniegewinnung über den Protest, andererseits die pro forma Denunzierung von Widerstandshandlungen, die die eingefahrenen Spurrillen verlassen. Attac bzw. – um präziser zu sein – die Führungsclique von Attac ist ein klassisches Fallbeispiel, über welchen Hebel „Unruheherde“ kontrolliert und auf Sicht erstickt werden sollen. Allerdings wird Attac ob ihrer eigenen personellen und strukturellen Schwäche nicht in der Lage sein, die Protestchoreografie allein zu zelebrieren. Wir haben daran zu gehen, den Einfluss von Attac so gering wie möglich zu halten, indem wir durch unsere vielfältigen Aktivitäten die Räume besetzen, die sich im Verlauf der Gipfeltage ergeben. Da haben wir überhaupt kein Terrain preiszugeben, schon gar nicht, wenn Attac -VertreterInnen laut verkünden, als Hilfssheriffs aufzutreten. Einstweilen bleibt uns nur unmissverständlich klarzumachen, dass jede passive oder gar aktive Unterstützung der Attacverkündung der Befriedung von Widerstand kein „Kavaliersdelikt“ ist. Wer/welche seine/ihre Kraft aufbringt, um Aufruhr staatskonform zu kanalisieren, statt ihn bei Ausbruchsversuchen Richtung und Halt zu geben, befindet sich rasch auf der anderen Seite der Barrikade. Dass das kein Platz an der Sonne ist, brauchen wir wohl nicht weiter zu betonen ...
5. „Militante Kampagne“ und Anti-G8-Widerstand der revolutionären Linken
Wir haben in unserer Erklärung zum Brandanschlag auf Fahrzeuge der Bundespolizei im Januar dieses Jahres bewusst eine ziemlich dezente Formulierung hinsichtlich der Existenz einer „militanten Kampagne“ im Rahmen der Anti-G8-Mobilisierung gewählt, indem wir von unserer Unterstützung der „Im Entstehen begriffenen militanten Kampagne gen den G8-Gipfel“ gesprochen haben. Damit verbunden war die Aufforderung, die „militante Kampagne“ endlich an Kriterien zu binden und nicht weiter im Schwerelosen zu belassen.
Unser Bezug zur „militanten Kampagne“ ergab sich aus dem Anschlag der Gruppe AG Kolonialismus und Krieg in der militanten Kampagne auf Fahrzeug und Wohnhaus des Finanzstaatssekretärs Mirow Ende Dezember 2006 in Hamburg. Wir kannten von der Anschlagserklärung nur einige Auszüge und die Namensgebung, besonders letztere ließ uns vermuten, dass sich nun GenossInnen dezidiert zum Inhalt dieser „militanten Kampagne“ geäußert hätten. Doch als wir die komplette Erklärung in der Berliner „Szenezeitschrift“ Interim (648, 18.1.07) nachgelesen haben, überkam uns die Enttäuschung. Der Text enthält keinerlei Ausführungen, woran sich diese „militante Kampagne“ politisch messen lassen müsste, um als solche durchgehen zu können. Weder ist der Text der KollegInnen von den Autonomen Gruppen (radikal 159, Frühjahr 06) noch unser express (Nr. 3, herbst 06) in irgendeiner Form thematisiert worden. Es ist lediglich ein wahrer Bezug zu vorangegangenen militanten Aktionen und der Hinweis notiert worden, dass die Gruppe durch ihre Aktion „ die Impulse der GenossInnen“ aufgegriffen habe. Hätten wir die gesamte Anschlagserklärung von der AG Kolonialismus und Krieg in der militanten Kampagne gekannt, wäre unser positiv-optimistischer Bezug zur „militanten Kampagne“ stärker ins Skeptische umgeschlagen.
Gut, aber auch nach der Kenntnis dieser besagten Anschlagserklärung sahen wir noch eine kleine Chance, dass sich verschiedene militante Zusammenhänge untereinander verständigen könnten – immerhin war noch ein knappes halbes Jahr Zeit. Vor allem konnten wir von verschiedenen (militanten) GenossInnen vernehmen, dass der kritische Textbeitrag „Militanz und G8-Gipfel in Heiligendamm 2007“ vom revolutionären Aufbau Berlin (RAB) (Interim 648, 18.1.07) positiv aufgenommen wurde und einiges an Nachdenken auslöste. Nur, und das hätte das Entscheidende sein müssen, folgten keine handfesten Reaktionen. Dabei bietet der Text nach wie vor eine solide Diskussionsgrundlage aufgrund entwickelter Militanz-Kriterien und der Skizze der potentiellen Bedeutung militanter Interventionen im Kontext des G8-Gipfels.
Auch die zeitlich letzte Möglichkeit einer kurzfristigen Verabredung einer politisch gemeinsam unterstützten „militanten Kampagne“ blieb, nach dem, was wir kennen, ungenutzt. Die entscheidenden militanten Aktionen der letzten zwei, drei Wochen in Hamburg, die wegen ihrer Präzision und zeitlichen Dichte beispielhaft sind, haben leider nicht dazu geführt, dass sich wenigstens einer der beteiligten klandestinen Zusammenhänge geäußert hätte, wie der Initiative einer „militanten Kampagne“ noch irgendwie politische Kontur zu geben wäre.
Wir denken ähnlich wie der RAB, dass es eine Versimplifizierung einer „militanten Kampagne“ wäre, wenn wir eine solche ausschließlich anhand einer faktisch unzusammenhängenden Brandsatzlegerei definieren würden. Es fehlt eine gemeinsam entwickelte und getragene Basis einer „militanten Kampagne“ ,die sich inhaltliche und praktisch- organisatorische Richtschnüre gibt. Da diese Grundlagenschaffung nicht erfolgte, wobei die Gründe hierfür nach dem G8-Spektakel zu benennen sein werden, ist diese „militante Kampagne“ ein Trugbild, das in den letzten Monaten vor allem gern von verschiedenen Medienanstalten gezeichnet wurde. Allerdings kursiert in der Berliner „Szene“ seit einigen Monaten ein mit „Antonome Gruppen Berlin“ unterzeichneter Aufruf, einen lang gezogenen „Volxsport-Wettbewerb“ zum G8-Giptel zwischen sich beteiligenden Städten zu initiieren.
Wir mokieren uns hier nicht oberflächlich an dem im Aufruf fixierten Punktesystem für einzelne klandestine Aktionsformen und dem damit zum Ausdruck gebrachten Werbeslogan „Leistung lohnt sich!“. Vielmehr handelt es sich bei diesem „Wettbewerb“ um ein Beispiel, bei dem die – wir unterstellen – beabsichtigte Kreativität nach dem Motto „Widerstand muss Spaß machen“ kräftig ins Absurde abrutscht. Diesen Aufruf wird man nur noch als entpolitisierte Karikatur einer „militanten Kampagne“ bezeichnen können, dessen Adressat offenbar sowieso aufgrund der Wortwahl und Stilistik die Boulevardmedien zu sein scheinen- dieses „Rezept“ ist dann auch, wenn man sich die Schlagzeilen in den entsprechenden Gazetten anschaut, voll aufgegangen. Aufgegangen, und zwar in Flammen, sind auch gut ein Dutzend „Nobelkarossen“, die sich selbst nach dem, was davon nach dem Löschvorgang übrig blieb, unschwer als Klein- und Mittelklassewagen von Anwohnerlnnen herausstellten, die einfach das Pech hatten, zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort neben dem 60. 000 Euro- Audi des Schauspielers Heinze geparkt zu haben. Um diesen „Glückstreffer“ ist es nicht schade, aber die regelmäßigen „Beifänge“, die sich zwangsläufig aus dieser Art von „Wagensportliga“ ergeben müssen, diskreditieren Militanz auf ganzer Linie.
Wir machen nicht die ErfinderInnen dieses „Wettbewerbs“ persönlich für das willkürliche Abfackeln von PkWs verantwortlich, aber wir sehen es als politisch unverantwortlich an, wenn von diesen nicht erklärt wird, dass es für einen verkokelten Schrotthaufen von Tante Erna und Youssuf Aladin keine Punkte gibt. Diese Abfackelei von „Nobelkarossen“ wird seit 2 Wochen medial – und wer/welche wollte sich darüber beschweren – in einen direkten Zusammenhang mit dem „Volxsportwettbewerb“ gebracht. Einen solchen Aufruf aus Jux & Tollerei in Umlauf zu bringen, ohne dazu beizutragen, einzuschreiten, wenn die Dinge aus dem Ruder zu laufen drohen, hat mit einem verantwortlichen Umgang mit Militanz nix zu tun.
Man kann beinahe den Eindruck gewinnen, als wenn die „militante Seite, die zu einem Event wie einem G8 Gipfel seit Jahren einfach dazugehört, medial herbeizitiert wird, damit dem Sensationalismus genüge getan ist. Ein G8-Gipfel ohne „Krawall“ ist nur halb so spannend, als wenn es ein bisschen im Karton kracht – berechenbar für Staat und Kapital hat es natürlich zu bleiben. Wenn man eine solche Funktionalisierung von Militanz bei herrschenden Großereignissen einmal reflektiert, kommen wir zu dem Punkt, dass man als Gruppe eigentlich gar keinen Bock hat, den Trottel abzugeben, der quasi auf Knopfdruck und fremdbestimmt für eine Teildarbietung des ganzen Schauspiels zu sorgen hat. Der Kleine-Gangster-Part ist exquisit für uns reserviert.
Der eigentliche Ulk ist dann aber, das die BAW diese mehr diskursiv als faktisch existierende „militante Kampagne“ zum Anlass nimmt, eine „terroristische Vereinigung“ aus dem Hut zu zaubern, um den ganzen Durchsuchungsaufwand zu legitimieren. Es ist nicht völlig aus der Luft gegriffen, dass die repressiven Staatsapparate der Selbstlegitimierung wegen einen gefährlichen Bösewicht brauchen, notfalls wird einer – wie im Falle der „militanten Kampagne“ – einfach im eigenen Labor hergestellt. Das tatsächlich Problematische am Sich-am-Gipfel-Spektakel-Abarbeiten besteht darin, dass enorm viele Kapazitäten geschluckt werden, und dass das Banale wie Basale der tagtäglichen Konfrontation mit dem Klassenkampf von oben auf der Strecke zu bleiben droht. Da unser politisch-sozialer Alltag viel zu wenig antagonistisch ist, ist hier zuforderst anzusetzen. Es war schon oft zu beobachten, dass nach Großereignissen wie einem G8-Gipfel, auf den sich viele GenossInnen geradezu selbstläuferisch fokussieren, die große Leere folgt – man erinnere sich z.B. auch an die Zeit nach der IWF-Tagung in West-Berlin 1988. Meist bleibt nur eine Momentaufnahme, die sukzessive verblassen muss und nach jedem mobilisatorischen Höhenflug folgt der (tiefe) Fall. Das ist auch nachvollziehbar, soll von uns aber nicht quasi naturgesetzlich determiniert werden.
Dieser Konjunkturverlauf wird sich auch – in dem Falle zwangsläufig – in den G8-spezifischen militanten Aktionen widerspiegeln, evtl. mit einer kurzzeitigen Delle aufgrund des Repressionsschlages. Hier sehen wir die Verantwortung von existierenden und „etablierten“ klandestinen Gruppenzusammenhängen darauf einzuwirken, dass der fallende Pulsschlag nicht zum völligen Stillstand kommt. Es ist Aufgabe u.a. dieser Zusammenhänge, eine detaillierte Nachbereitung zu liefern und einen organisierten Strukturaufbau fortzusetzen, damit die zweifelsohne vorhandenen Impulse aus der breiten anti-G8-Mobilisierung im Allgemeinen und der militanten im Besonderen nicht gleich wieder verpuffen und dem „es war einmal ...“ überantwortet werden. Nur so kann man unseres Erachtens dafür Vorsorge tragen, dass sich nach dem 8. Juni nicht zu viel in alle Himmelsrichtungen verstreut, sondern die Ansätze der klandestinen Koordinierung ausgebaut werden, denn der „Lackmustest“ für unsere Fähigkeit Politik zu machen kommt bestimmt – und warum sollten wir dann nicht umfassender vorbereitet sein, als es heute der Fall ist, wie wir selbst einzugestehen haben.
Wir wollen aber nicht nur herummosern; vielmehr ist uns daran gelegen zu schauen, was für Folgerungen bereits jetzt anstehen. Zum einen ist klar, dass wir für uns den G8-Gipfel wesentlich weiter unten ansiedeln werden, als anfangs gedacht. Wir halten es für eine falsche Schwerpunktsetzung, diesen Gipfel (bzw. generell herrschende Events) zum Nonplusultra revolutionärer Politik zu erklären und dabei den schnöden politischen und sozialen Alltag des Klassenkampfes – notwendigerweise aufgrund des Eingebunden- und Ausgepowertseins- zu vernachlässigen. Zu dieser Relativierung der Bedeutung des G8-Gipfels gehört selbstverständlich aber auch, dass wir diesen – wie alle anderen Ausdrücke imperialistischer Aggression – als Angriffsziel revolutionärer Politik auf dem Schirm haben und uns entsprechend verhalten werden.
Zum anderen sehen wir den potentiellen Gehalt dieses in den Anfängen steckengebliebenen Mobilisierungsversuches militanter Strukturen darin, über dieses Event hinaus die gemachten Erfahrungen auszuwerten, um einen neuerlichen, aber stärker koordinierten Anlauf bspw. im Kontext von „30 Jahre deutscher Herbst“ zu unternehmen. Dieser ist dann nicht isoliert, sondern in einen revolutionären Aufbauprozess einzubetten, wie ihn die GenossInnen in der Anti-G8-Mobilisierungsbroschüre „protest.widerstand.perspektive“ konzeptionell umrissen haben.
Und schließlich denken auch wir, dass die BAW-Razzia in einen politischen Vorteil umgewandelt werden kann, wenn sich daraus ein zusätzlicher Mobilisierungseffekt erzielen lässt. Vieles deutet darauf hin, dass dem so ist. Je mehr Strukturen aus den Anti-G8-Protestbewegungen zum Angriffsziel der BAW werden, je umfangreicher von den repressiven Staatsapparaten denunziert wird, desto eher treten zweit- und drittrangige Differenzen bspw. auch zwischen uns und anderen klandestinen Zusammenhängen in den Hintergrund und stattdessen tritt die Haupttriebkraft des Kampfes gegen kapitalistische Ausbeutung und imperialistische Unterdrückung in den Vordergrund. Es wird sich nicht alles gleich in Wohlgefallen auflösen, was an Differenzen vorhanden ist, gewiss nicht, aber wir sollten den taktisch anfängerhaft vorgetragenen BAW-Angriff zu einem Bumerang werden lassen!
Für eine militante Plattform- für einen revolutionären Aufbauprozess – für den Kommunismus!
militante gruppe (mg), Ende Mai 2007