Was machen wir als militante gruppe (mg) auf einem Sozialforum – haben wir denn nichts Besseres zu tun?
Ein kleiner Sommerausflug ins Thüringische wird uns doch wohl gestattet sein – oder? Und außerdem liegt ein solcher Besuch ganz auf unserer Linie des gegenseitigen Austauschs und der Bezugnahme. Wir meinen, wir sind hier nicht am falschen, sondern für eine Stippvisite zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Das zunächst als einmaliges Projekt geplante Sozialforum in Deutschland, das vom 21. bis 24. Juli 2005 in der thüringischen Hauptstadt Erfurt stattfindet, knüpft unmittelbar an die Welt- und Europäischen Sozialforen der vergangenen Jahre an. Somit ist ein weiterer, vielschichtiger Diskussionsraum eröffnet worden, der selbst über die Grenzen der BRD Beachtung finden wird.
Für solche Events ist eine große Anzahl von inhaltlich komplexen wie heterogenen Veranstaltungen, Seminaren und Arbeitsgruppen charakteristisch. Mitunter handelt es sich um einen Tummelplatz obskurer Grüppchen und Gestalten. Um dem noch eins draufzusetzen, zeigen wir als militante gruppe (mg) auf diesem Sozialforum Präsenz. Was alle können, können wir selbstverständlich auch: Meinungsmache betreiben! Denn trotz aller Verschiedenheit der OrganisatorInnen, VeranstalterInnen und BesucherInnen, werden Sichtweisen klandestiner Gruppierungen doch eher Mangelware sein. Es attact auf diesem Sozialforum doch gewaltig. Wir wollen also nicht durch einen SeIbst-Ausschluß glänzen, sondern durch unsere Anwesenheit dem vermeintlichen Imagegewinn der Stadt Erfurt durch das Sozialforum einen kleinen Dienst erweisen.
milliante gruppe (mg) – „das Salz in der Suppe?“
Die Frage, wer oder was wir sind, ist gar nicht so einfach in Stichworten zu erklären. Wir sind zum ersten Mal Mitte 2001 auf der Bildfläche mit einem Brandanschlag auf die Berliner DaimlerChrysler-Niederlassung und der Patronenverschickung an die Hauptverantwortlichen des Schlussstrichprojektes des Nazi-Nachfolgestaates BRD gegenüber den versklavten ZwangsarbeiterInnen im Faschismus erschienen.
In den Folgejahren sind u.a. Institutionen und Firmen des sozialtechnokratischen Klassenkampfes von oben (Sozialämter, „Gemeinsame Anlaufstelle von Arbeits- und Sozialamt“, ALBA, LIDL) in unser Blickfeld geraten. Die zunehmend dominantere Rolle der BRD in internationalen Konfliktsituationen haben wir ebenso in unsere Agenda aufgenommen wie die folgerichtige Repression gegen die revolutionäre Linke in der BRD. So ein paar Anschläge sind nicht der Weisheit letzter Schluss – gewiss nicht, aber ein wesentlicher Baustein einer bestimmten politischen Herangehensweise, die wir in einen größeren Zusammenhang stellen.
Daraus folgern manche in einem mehr oder weniger melodischen Singsang, wir wären in der revolutionären Linken der BRD „das Salz In der Suppe“. Das ist bestimmt zu hochgegriffen. Dennoch macht diese Metapher deutlich, daß wir u.a. durch eine kontinuierliche militante Politik versuchen, ein verlässliches und stabiles Standbein der außerparlamentarischen Proteste zu sein; oder besser, im Bilde zu bleiben, ein Geschmacksverstärker. Wir begrenzen unsere Aktivitäten nicht auf die legalisierten und normierten Spielwiesen, unsere politischen Ausdrucksformen wählen wir selbst.
Ganz anders natürlich die Meinung der staatlichen Verfolgungsbehörde á la Verfassungsschutz und BKA; sie betiteln uns als „Autonome mit terroristischen Ansätzen“ – als Anerkennung unseres Wirkens bleibt da nur der hinlänglich bekannte Gesinnungsparagraph § 129a übrig. Wir beklagen uns darüber gar nicht, denn da gibt es nichts zu skandalisieren, da gibt es nur die Instanzen der Repression in Schach zu halten. Kein StGB der bürgerlichen Welt kann es zulassen, von einem kleinen, verwegenen Haufen beständig angepisst zu werden, ohne sich selbst ad absurdum zu führen.
Der böse „Terrorismus-Verdacht“ kann mit unserem Selbstbild selbstredend nichts zu tun haben, vor allem, welche Begriffsverwirrung kommt hier wieder einmal zum Vorschein: Denn nicht diejenigen, die für eine egalitäre Form des Sozialen eintreten verdienen das Stigma des „Terrorismus“, sondern Jene, die gestützt auf das Gewaltmonopol der repressiven Staatsapparate die kapitalistische Verwertungsmaschine aufrechterhalten wollen – mit welchen abfedernden Schmiermitteln auch immer.
Hierzu stehen wir in jeder Hinsicht in einem grundsätzlichen Widerspruch. Ein Ausdruck dieses Widerspruchs spiegelt sich im unserer militanten Praxis wider. Eine revolutionäre Politik bzw. der Klassenkampf von unten wird ohne die Organisierung der militanten und bewaffneten Seite des Widerstandes auf bloße Verlautbarungen reduziert sei. Appelle sind wahrlich hinreichend geschrieben worden. Wieso sollten sich die politisch herrschenden und besitzenden Kreise dieser Gesellschaft durch das bessere Argument überzeugen lassen und auf ihre historische erkämpfte Privilegienstellung verzichten? Da sind wir wiederum gar nicht vorwurfsvoll, wenn’s anders wäre, hätten wir wesentliche Züge des Kapitalismus bereits aufgehoben. Wir wollen nur begreiflich machen, dass man im Gegenzug nicht von uns erwarten kann, zu vegetieren und in den Chor vom Ende der Geschichte und der Sachzwanglogik nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus einzustimmen.
Auch die Geste des Papiertigerchens, das verbal zum großen Sprung ausholt, aber regelmäßig über seine großen Pfoten stolpert und flachliegt, können wir getrost anderen überlassen. Deshalb versuchen wir Wort &Tat in Übereinstimmung zu bringen, was zugegebenermaßen nicht immer klappt.
Schön & gut – und was wollen wir eigentlich?
Zuallererst eine erweiterte Note in das recht blumige Sozialforumsmotto „Für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Natur“ bringen. Wir kämpfen auf der Basis eines sozialrevolutionären und antiimperialistischen Ansatzes perspektivisch für eine klassen- und staatenlose kommunistische Gesellschaftsform. Denn es geht uns darum, alle Verhältnisse umzuwerfen, „in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Marx). Das wird man doch noch so formulieren und angehen dürfen, ohne dass einem gleich die eigene Schamröte ins Gesicht treibt – oder?
Soziale Revolution und Antiimperialismus sehen wir nicht als Gegensatzpaar, wie so häufig in der Vergangenheit der revolutionären Linken, sondern als zwei Seiten einer Medaille. Es hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr (wieder) herauskristallisiert, dass der sozialtechnokratische Krieg nach Innen gegen blutig erstrittene gesellschaftliche rechte und Standards vor allem der ArbeiterInnenbewegung sowie die imperialistische Kriegsführung und Hegemoniegewinnung nach außen in einem Wechselverhältnis zueinander stehen.
Diesen großen, hehren Anspruch haben wir selbstverständlich auf ein Normalmaß, das unseren aktuellen Möglichkeiten entspricht herunterzubrechen. Deshalb versuchen wir im rahmen der seit 2001 stattfindenden Militanzdebatte, in der es um einen inhaltlichen und praktischen Koordinierungs- und Organisierungsprozeß militanter Gruppenstrukturen geht, unsere Positionen in einem kontroversen Austausch kenntlich zu machen. Als Nahziel haben wir uns für die Bildung einer militanten Plattform ausgesprochen, in der sich in einer koordinierten Verbindung von Diskussion und Aktion gemeinsame Eckpunkte festschreiben lassen Stück für Stück konkretisieren.
Allerdings muß unsere Rolle über diesen Organisierungsversuch militanter Strukturen hinausreichen. Zu einem komplexen revolutionären Aufbauprozesse gehört unserer Ansicht nach unerlässlich die Stärkungen basisinitiativen auf der einen Seite und die Schaffung von logistischen und organisatorischen Voraussetzungen einer bewaffneten Propaganda in der Form einer Stadtguerilla bzw. Miliz auf der anderen Seite. D.h. wir sehen uns nicht als Zirkel, der sich nur in seinem originären bereich einer militanten Praxis einrichtet, sondern unsere Verantwortungsübernahme zieht sich durch alle Gliederungen der revolutionären Linken.
Damit aber noch immer nicht genug: Wir können uns nicht räumlich auf die Nische der revolutionären Linken begrenzen. Unsere Politik muß, wenn sie eine gesellschaftliche Relevanz und Akzeptanz haben will, unsere Zielvorstellungen des Kommunismus populär machen. Dabei fallen wir aber nicht von außen über die deklassierten und marginalisierten gesellschaftlichen Sektoren zwecks Politisierung her – wir sind selbst Teil der sozial Überflüssigen. Die revolutionäre Linke bildet keine Exklave, auch wenn man manchmal meinen könnte, einige ihrer AnhängerInnen katapultieren sich mutwillig aus jedem sozialen Zusammenhang heraus und simulieren die Insel der Glückseligen. Nein, wir wollen keine zynische KommentatorInnenposition vom studentischen Frühstückstisch aus einnehmen. Wir sehen unseren bescheidenen Part dagegen darin, Tatbeteiligte in einer Geschichte zu sein, die eine Geschichte von Klassenkämpfen ist.
Die, die sich mit uns ein genauer auseinandersetzen wollen, empfehlen wir, unseren Gruppennamen in Suchmaschinen einzugeben
Für eine militante Plattform – für einen revolutionären Aufbauprozess – für den Kommunismus!
militante gruppe (mg), Juli 2005