27. Juni 2003 –
10 Jahre nach dem Tod von Wolfgang Grams
Glaubt den Lügen der Mörder nicht! Kein Vergeben – Kein
Vergessen
Gemeinsam den Kampf um Befreiung organisieren
Vor zehn Jahren am 27. J, das Bundeskriminalamt (BKA) Bad Kleinen gegen die Rote Armee Fraktion (RAF) zu. Wolfgang Grams wurde laut Aussagen von ZeugInnen von der GSG 9 hingerichtet, Birgit Hogefeld befindet sich seither in Haft. Die Staatsschutzaktion in Bad Kleinen offenbart öffentlich das Ausmaß des staatlichen Vernichtungswillens gegen seine radikalen und militanten Gegner und markiert zugleich eine schwere Niederlage für die Linke in der Bundesrepublik.
Es hat in Deutschland und weltweit immer linken Widerstand gegeben und es wird ihn auch zukünftig geben. Es gibt kein Ende der Geschichte, der politische Kampf für die Abschaffung der kapitalistischen und, rassistischen und patriarchalen Verhältnisse, die auf Ausbeutung und Unterdrückung beruhen, ist möglich.
Wir nehmen den zehnten Jahrestag als Anlass folgende Themenbereiche bundesweit in die Öffentlichkeit zu tragen und darüber eine breite Auseinandersetzung anzuregen.
Gegen das Vergessen!
Um den 20. Jahrestag von Stammheim herum gab es in den bürgerliche Medien einen breit angelegten Versuch, mit der die herrschende Version von fast 25 Jahren bewaffneten Kampf in der BRD endgültig in den Geschichtsbüchern festgeschrieben werden sollte. In einem solchen Ausmaß war dieses nur möglich, weil die Linke weder die Aufmerksamkeit noch den Willen hatte, die Widersprüchlichkeit der staatlichen Rolle in die Öffentlichkeit zu tragen, geschweige denn die Ziele und Motivationen der bewaffneten Kämpfenden zu vermitteln. 10 Jahre nach Bad Kleinen wollen wir einen Gegenpol zur bürgerlichen Geschichtsschreibung schaffen und nicht nur in der Linken unsere Version der Geschichte zur Diskussion stellen.
Wolfgang Grams wurde laut ZeugInnenaussagen durch die GSG 9 hingerichtet!
Im bürgerlichen Diskurs und den Medien wird von „Erschießung“ sowie von „Tod unter ungeklärten Umständen“ gesprochen. Deutsche Gerichte haben bereits ihr endgültiges Urteil „Selbstmord“ gefällt. Dem gilt es die existierenden Fakten entgegen zu setzen. Eines unserer Ziele ist es, dass das Stichwort Bad Kleinen auch in der bürgerlichen Öffentlichkeit mit Kritik am staatlichen Vorgehen verbunden bleibt.
Freiheit für die politischen Gefangenen!
Für ihre Mitgliedschaft in der RAF sind noch immer Birgit Hogefeld, Brigitte Mohnhaupt, Christian Klar, Eva Haule und Rolf Clemens Wagner im Knast. Die Angeklagten im Prozess gegen die Revolutionären Zellen (RZ) sind von Haftstrafen bedroht. Aus der kurdischen und türkischen Linken sitzen zahlreiche GenossInnen auch in deutschen Gefängnissen; ebenso wie Thomas Meier Falk oder die wegen zweier Brandanschläge auf Polizeiinfrastruktur verfolgten Marco Heinrichs und Daniel Winter. Mit den Auseinandersetzungen um die Gipfeltreffen in Göteburg und Genua wurde deutlich, dass auch die Antifa- und „Antiglobalisierungsbewegung“ unmittelbar von Gefängnisstrafen betroffenen sind. Die rage nach dem Verhältnis zu den politischen Gefangenen muss sich die Linke stellen. Ohne dieses sind offensive Schritte der Linken wie beispielsweise in Göteburg oder Genua nicht zu verantworten. Die Bedrohung durch Knast kann nicht zum bloßen persönlichen Risiko der Einzelnen und zum Problem der Angehörigen verkommen. Politische Solidarität ist eine Aufgabe der Linken insgesamt.
Weg mit dem §§ 129, 129a, 129b!
Die Forderung nach Abschaffung dieser Paragraphen, soll die Möglichkeiten von Verfolgung von politischer Gesinnung außerhalb bürgerlicher Rechtsgrundsatze, die sich der Staat geschaffen hat und immer weiter ausbaut, zum Thema machen. Zu den §§ 129 und 129a ist nach dem 11. September 2002 der § 129b hinzu gekommen. Das Wesen dieser staatlichen Verfolgungslogik, die nicht eine konkret begangene Straftat zu Grunde legt, sondern ganz unverhohlen zu erwartenden Protest zu unterbinden versucht, drückt sich ebenso in den Gefahrenabwehrgesetzen oder den Beschränkungen der Reisefreiheit aus. Diese Herausforderung in der Linken zu thematisieren und nach Handlungsmöglichkeiten zu suchen, ist ein weiteres Anliegen unserer Initiative.
Die bewaffnet Kämpfenden waren keine Popstars!
Seit ca. zwei Jahren eignen sich Popmagazine, junge FilmemacherInnen und MusikerInnen ein eigenes Bild des bewaffneten Kampfes an. Grundsätzlich ist dies zu begrüßen, denn diese sind teilweise Versuche sich mit einem Teil linker Geschichte auseinander zu setzen und sich unabhängig von der herrschenden Geschichtsschreibung ein eigenes Bild zu machen. Im Vordergrund steht dabei aber vor allem die persönliche Faszination von den einzelnen Akteuren und ihrer Konsequenz. Auch das ist gut. Da sich das Ganze aber eher im popkulturellen als im politischen Rahmen abspielt, führt diese zu einer Individualisierung der Geschichte, reduziert die Entscheidung für den bewaffneten Kampf und die Illegalität auf die einzelnen Personen und blendet dabei den vorher und parallel geführten breiten Diskurs in der Linken und damit die politischen Hintergründe aus.
Wir erhoffen uns eine verbindliche Diskussion um die skizzierten politischen Aufgabenstellungen, sowie Rückmeldungen für die zu erarbeitenden praktischen Aktionsformen. Geschichte wird gemacht, nehmen wir unsere in die eigenen Hände!
Libertad! und Autonomen Antifa (M), 18. März 2003