Home  ›  Texte  ›  Anschlagserklärungen

31. Dezember 2002 | militante gruppe (mg)

Interim Nummer 564 vom 23. Januar 2003, Seite 21

Anschlagserklärung

Wir setzen mit unserem Brandanschlag gegen das Finanzamt Neukölln-Süd in der Buschkrugallee 95 in Berlin vom 31. Dezember 2002 unsere militante Linie gegen Institutionen der sozialen Verelendung und Deklassierung fort. In dem breit angelegten Angriff auf die untersten Segmente der Bevölkerung ist ein Netzwerk von repressiven und bürokratischen Einrichtungen entstanden, das für die zyklische Wirtschaftskrise des kapitalistischen Systems jene (haupt-)verantwortlich machen will, die über die geringsten politischen und ökonomischen Einflußmöglichkeiten verfügen und chronisch am gesellschaftlichen Existenzminimum darben. Der Kampf gegen „Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung“ ist ein zentrales Feld der Migrationskontrolle und der Disziplinierung derer, die sich nicht in die kapitalistische Wertschöpfungskette eingliedern lassen wollen und können. Sogenannte Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung sind ein Sektor der Armutsökonomie, der Ausdruck des sozialen Verdrängungs- und Deklassierungsprozesses ist.

Die Armutsökonomie ist in den letzten Jahren zu einem sozialtechnokratischen Angriffsziel geworden, die bspw. von dem „Schwarzarbeit-Experten“ Friedrich Schneider von der Uni Linz im Auftrag der Berliner Bauwirtschaft in wissenschaftlichen Expertisen untersucht wurde (vgl. TSP, 6.2.2002 und Berl. Ztg., 12.12.2002). Diese Untersuchungen („Schwarzarbeit auf Rekordniveau“) dienen den verschiedenen Abteilungen des Landeskriminalamts (LKA), Landesarbeitsamts (LAA) sowie bestimmten Einrichtungen der Finanzverwaltung (ZOLL, Finanzämter) u.a. als Grundlage für strafrechtliche Verfolgungen.

Die Finanzämter als ein Exekutivorgan der Repression gegen die Armutsökonomie und ein Instrument der Migrationskontrolle

Die Bedeutung der Finanzverwaltung in dem Netzwerk der Verfolgung und Bekämpfung der „Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung“ ist stetig angewachsen. Bei Razzien auf Baustellen oder im Gastronomiebereich sind Angehörige der Finanzämter und des ZOLLS in der Regel immer beteiligt. Es geht schließlich darum, den Einnahmeausfall des Staates zu verringern („70 Milliarden Euro gehen dem Staat an Steuern und Sozialabgaben verloren“, Friedrich Schneider, Berliner Ztg., 12.12.2002).

In der Sparliste des Berliner Finanzsenators Sarrazin sind ebenfalls Eckdaten formuliert worden, die durch schärfere Kontrollen und Prüfdienste bei Arbeitslosen und SozialhilfeempfängerInnen erfüllt werden sollen (vgl. TSP, 19.8.2002).

Durch das am 1. Januar 2002 eingeführte „Gesetz zur Eindämmung illegaler Beschäftigung“ (sog. „Bauabzugssteuer“) sind die Finanzämter noch direkter in den Kampf gegen die „Schwarzarbeit“ integriert, da sie für die Bauunternehmen einen Freistellungsbescheid von dieser „Bauabzugssteuer“, die 15% der Rechnungssumme des jeweiligen Bauauftrages umfaßt, ausstellen oder auch nicht. Öffentliche Aufträge sind nur noch mit einem solchen „Freistellungsbescheid“ zu erhalten. Wer einen solchen Bescheid nicht vorlegen kann, da er über eine Steuerschuld verfügt oder bereits strafrechtlich aufgefallen ist, ist bei vielen Bauaufträgen aus dem Rennen.

Die repressive Stoßrichtung der Bekämpfungsstrategien gegen die „Schwarzarbeit“ (bspw. das am 22.3.02 beschlossene „Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von Schwarzarbeit und Sozialbetrug“) ist die eine Seite der Medaille, die andere ist der vermeintliche „Legalisierungsversuch der Schwarzarbeit“ durch die sog. Minijobs, die allerdings nur die Basis für die Ausweitung eines Niedriglohnsektors und die Aushöhlung tarifvertraglich geschützter und regulärer Arbeitsverhältnisse schaffen.

Sozialtechnokratie angreifen – Klassenkampf organisieren!

Für eine militante Plattform – für einen revolutionären Aufbauprozeß – für den Kommunismus!

militante gruppe (mg), 31.12.2002