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11. April 2007 | militante gruppe (mg)

Interim Nummer 654

Das „Gnadengesuch“ von Christian Klar und der Instrumentalisierungsversuch einer militanten Aktion

Kein Tag, an dem nicht irgendein journalistischer Selbstversuch um den Themenkomplex „Freilassung von Mohnhaupt – Gnadengesuch von Klar – 30 Jahre Deutscher Herbst“ unternommen wird. Allseits wird festgestellt, dass dieser Themenkomplex weiterhin virulent ist und langsam aber sicher auf den Höhepunkt im Herbst zusteuert. Jubiläen üben gerade für die Medien-Zunft eine magische Faszination aus. Diese Faszination - wie sollte es auch anders sein – treibt einige aus dieser Zunft zu sehr merkwürdigen schriftstellerischen Stilblüten, die zu allem Überdruss auch noch ihre willfährigen Nachahmer finden. Und ehe wir uns überhaupt in der Debatte um Klar’s „Gnadengesuch“ richtig orientieren konnten, sind wir durch einen investigativen Journalisten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zum Mittelpunkt einer Posse geworden. Etwas frei übersetzt trägt die folgenden Titel: „Die mg verhindert ein erfolgreiches Gnadengesuch von Christian Klar“. Starker Tobak, der hier für aufsteigenden Qualm sorgt ...

Was war geschehen?

Wie es so seit sechs Jahren unsere bevorzugte Freizeitgestaltung ist, haben wir uns mit einem Brandsatz Gehör verschafft. Wir haben uns gezielt auf den 18. März, den Tag der revolutionären Gefangenen bezogen, der Mitte der 20er Jahre von der Internationalen Roten Hilfe  (IHR) als Solidaritätstag angesetzt wurde und seit einigen Jahn durch verschiedene Initiativen wiederbelebt wurde. Aktueller Anlass für unsere Intervention war die Repressionswelle gegen italienische Genossinnen und der längste Gefangenenkampf aller Zeiten in der Türkei/Nordkurdistan, das sogenannte Todesfasten. Was lag da näher, als einem Bürogebäude einen unangemeldeten, feurigen Besuch abzustatten, in dem sich u. a die italienische Handelskammer und der türkische Industrieellenverband TÜSIAD befinden. Als Vermittlungsform haben wir wie wir es grundsätzlich für richtig halten – ein paar erklärende Sätze formuliert, eingetütet und abgeschickt. Für gewöhnlich nennen wir so etwas Anschlagserklärung.

Dieses mal haben wir die „Bekennung“ etwas variiert, da wir auf den Kalender geblickt haben und feststellen mußten, dass es unbedingt Zeit für unseren ersten quartalsmäßigen mg-express für das Jahr 2007 war. Gedankenschnell und arbeitsverdichtend wie wir sind, haben wir den zur Verfügung stehenden Platz des mg-express genutzt, um sowohl unsere militante Aktion kurz und bündig zu rechtfertigen als auch einige allgemein gehaltene Absätze zu revolutionären Gefangenen und antagonistischer Politik zu schreiben. Dabei ist der Teil, der sich mit der Aktion befasst durch entsprechende Zwischenüberschriften von den anderen beiden Teilen bzw. den eingekästelten Einschüben abgetrennt. Die Aussage zu Christian Klar bzw. die Zitatauszüge aus seiner inkriminierten Solibotschaft sind – formal gesehen – nicht Inhalt der Sätze, die sich konkret mit unserer militanten Intervention beschäftigen. Unsere Aktion war unmissverständlich adressiert, einerseits durch die Objektauswahl, andererseits durch den formulierten Bezug zu italienischen sowie türkischen und/oder kurdischen Genossinnen. Die Erwähnung von Christian Klar bzw. die Verwendung seiner Zitate erfolgte im allgemeinen Teil des mg-express, der – wie erwähnt – grundsätzliche Aussagen im Rahmen des 18. März enthält. Auf den öffentlich ausgetragenen Konflikt um das „Gnadengesuch“ von Christian Klan nicht einzugehen, wäre, da dieser Punkt logischerweise In unseren Strukturen eine große Rolle einnimmt und im Rahmen des 18. März bspw. durch eine Kundgebung in Hamburg für die sofortige und bedingungslose Freilassung von Christan Klar untermauert wurde, sehr eigentümlich.

O.k., in den Tagen nach der Aktion gab es einige Pressemeldungen zu unserem Anschlag, wo z.T. gerätselt wurde, aus welcher Ecke die militante Unternehmenslust denn stammen könnte. In einigen türkischen Gazetten sind wir – auch aufgrund zur Nähe zum Newroz-Fest – gleich zu PKK-Sympatisantlnnen gestempelt worden. Eigentlich war es unsere Absicht, durch die gesprühten Parolen („Freiheit für DHKC-, BR/PCC-Gefangene“ und „TYSIAD + ital. HK angreifen“) den Bezug zu revolutionären Gefangenen und den 18. März deutlich zu machen. Nun ließ offenbar unsere Krakelei vor Ort einige Fragezeichen aufkommen, was denn die verwendeten Kürzel zu bedeuten hätten. Gut, einige haben’s gar nicht entwirren können, einige nur zum Teil und die Gescheiten wußten sofort, was Sache ist. Zu den letztgenannten gehört natürlich die Blitzmerkerfraktion vom BKA, aber für die machen wir unsere Risikoeinlagen ja nicht. Konsequenz daraus ist, dass wir uns beim nächsten Mal von unserer Schönschriftseite zeigen werden.

Summa summarum haben wir uns geärgert, dass wir die Vermittlung durch unsere kryptische Garagentor-Malerei einigermaßen vermasselt hatten. Für uns war die Kiste mit der Ansage, künftig chicer zu schreiben, erledigt. Haken hinten dran und zur nächsten Aufgabe, denn nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Nach einer kleinen Ewigkeit hieß es aber: “Denkste, da kommt noch was nach“.

Über Risiken und Nebenwirkungen einer militanten Aktion

Ja, so ist das offensichtlich manchmal. Wir sind mit einem spezifischen Aktionsablauf und der entsprechenden Nachbereitung durch und nach fast zwei Wochen läuft eine Agenturmeldung über den Ticker, die dann von dem aufgeweckten FAZ-Schreiberling Rüdiger Sold in die Schlagzeile „Klar’s Botschaft in Bekennerschreiben“ (FAZ, 29.3.07) verpackt wird. Zunächst fühlten wir uns überhaupt nicht angesprochen. erst als man diese Meldung mit unserem fast richtig geschriebenen Namen in Verbindung gebracht hat, horchten wir auf, Kurzentschlossen wie wir sind, ab zum nächsten Kiosk und nach ’ner FAZ gefragt. Man kommt ja nie in die Verlegenheit, sich so ne Tageszeitung freiwillig zu kaufen, schon gar nicht, wenn man die Kassiererin verdutzt fragen muss, ob diese unnötigerweise alle 24 Stunden erscheinende Postille sage und schreibe einen ganzen Euro und 80 ganze Cent kostet. Das war eine einmalige Investition unsererseits, damit das an dieser Stelle gleich vermerkt ist.

Auf Seite vier der besagten FAZ vom 29.3.07 findet sich nun das journalistische Glanzstück: „Die Verfasser des Bezichtigungsflugblattes (also wir, Anm. mg) (...) beziehen sich ausdrücklich auf die öffentlich kritisierte Grußbotschaft des in Bruchsal einsitzenden früheren RAF-Terroristen Christian Klar“. Dann filtert der FAZler noch das eine und einzige Zitat von uns zum „Fall Klar“ heraus und erwähnt den von uns in unserem mg-express aufgenommenen Ausschnitt aus Klar’s Grußbotschaft an die Rosa Luxemburg Konferenz, die in x Gazetten in den  letzten Wochen ganz oder teilweise zitiert wurde. Daraus konstruiert dann der Kollege Enthüllungsjournalist das ultimativ Spektakuläre, dass „das Bezichtigungsschreiben eine (sic!) neues Licht auf die Debatte über Klars Zukunft und die zunächst in Aussicht gestellten Vollzugslockerungen (wirft)“. Und weiter heißt es: „Bislang hatten Verfassungsschützer und einige Politiker argumentiert, die Meinungsäußerungen des früheren – RAF-Terroristen hatten heute keinen Einfluss mehr auf die Diskussen in der linksextremistischen Szene.“

Tags darauf konnte man in den Zeitungen „Die Welt“ und „Berliner Morgenpost‘ die FAZ-Darstellung inhaltsgetreu ein weiteres mal am Frühstücksbuffet studieren. Den Vogel schoss dann aber ein gewisser „rg“ in der Tageszeitung „Junge Welt“ ab. Der sich vermutlich hinter dem Kürzel „rg“ maskierende Rüdiger Göbel, seines Zeichens stellvertretender Chefredakteur der JW, ließ es sich nicht nehmen in alter schlechter K-Gruppen-Manier hinter militantem Widerstand pauschal „Dummheit“, „Söldnertum“ oder ein „Staatsschutzkonstrukt“ zu wittern. „rg“ versteigt sich zum Abschluss seiner „Ansicht“ zu der Aussage. dass wir „Christian Klar keinen Freundschaftsdienst“ erwiesen hatten, sondern einen solchen den „Diensten“, Ganz schön fett aufgetragen, Herr Göbel, zumal sie ja die Möglichkeit ungenutzt ließen, einen genauen Blick in unseren mg-express zu werfen, um sehenden Auges festzustellen, dass der „Fall Klar“ in unseren Ausführungen nur einen beiläufigen Punkt einnimmt. Es ist schon abstrus, wenn ein „linker“ Journalist das Zeug eines FAZlers nachplappert und somit den Job der Denunziation weiter ausführt. Zu fragen ist auch, ob Göbel hier nicht ein plumpes Ablenkungsmanöver startet, um vergessen zu machen, dass Klars Grußbotschaft auf der wesentlich von der JW getragenen Luxemburg-Konferenz (willkommener) Auslöser für Baden-Württembergs Justizminister Goll war, die angeblich avisierten Haftlockerungen für Klar auszuhebeln und eine weitere Psychiatrisierung anzuordnen. Und mal ehrlich, Göbel, sie und Kollegen haben doch über Wochen nichts unversucht gelassen, über Christian Klar und dessen Grußbotschaft PR in eigener Sache zu machen. Mehrmalige Abdrucke der Grußbotschaft und etliche diesbezügliche Artikel sprechen Bände. Sie und Kollegenstamm haben sich doch mehrfach darüber echauffiert, dass im Rahmen der breiten Debatte um Klars Grußbotschaft zu oft der Hinweis auf die JW fehlte. Das legt bei uns den Verdacht nahe, dass die JW Christian Klar dahingehend  funktionalisiert hat, über ihn Erwähnung in der „renommierten“ bürgerlichen Presselandschaft zu finden. Marginalisierung nagt halt am Selbstbewusstsein. Ach, Göbel, was soll das mit „Söldnertum, „Staatsschutzkonstrukt“ und so? Auch hier sollten Sie lieber vor der eigenen Türe kehren, so viel geballte „Dienst“-Erfahrung, die sich bei Ihnen in der Autorenschaft sammelt, bleibt für uns zeitlebens unerreicht.

Auch wenn wir dem FAZ-Autor Sold jetzt in die Parade fahren sollten, bleibt zu konstatieren, dass die Debatte um die Freilassung von Frau Mohnhaupt und der auf dem Tisch des „Bundespräsidenten-Darstellers“ (Urban Priol) Köhler liegende „Gnadengesuch“ des Herrn Klar seit Wochen in der „linksextremistischen Szene“ Thema ist und „Einfluss“ ausübt. Dazu braucht es wahrlich nicht uns!

Und was ist, wenn wir trotzdem dafür herhalten müssen, dass Christian Klar im Knast bleibt?

Wir halten das weiterhin für eine bizarre Fragestellung, zumal wir bislang überhaupt nicht speziell zu Christian Klar militant interveniert haben. Man kann schon einen Anflug von Schizophrenie bekommen, wenn einerseits – wie in „Die Welt“ (30.03.07) – fabuliert wird, wir seien „stark isoliert“ und finden „so gut wie keinen Zuspruch“. Andererseits müssen wir herhalten, aufgrund unserer Relevanz oder was auch immer, Klars vorzeitige Freilassung zu gefährden. Das lässt sich mit einem „gesunden Menschenverstand“ eigentlich nicht zusammendenken. Aber da wir nun mal in verrückten Zeiten vegetieren, müssen wir uns wohl damit abfinden, dies zu können. Es wir von uns noch stärker zu berücksichtigen sein, inwiefern Aussagen und/oder Aktionen von uns ein größeres oder kleineres „Instrumentalisierungspotential“ in sich bergen, das zum Nachteil Dritter aktiviert werden kann. Ob nun „stark isoliert“ oder nun doch nicht, Fakt ist, dass, wen Anlässe gesucht werden auch welche gefunden werden, um z.B. Gründe für einen negativen Ausgang des „Gnadengesuchs“ von Klar öffentlich zu legitimieren.

Dass der Instrumentalisierbarkeit offenbar wirklich keine Grenzen gesetzt sind, war uns schon latent bewusst, als wir den Artikel des ND-Autors Tom Strohschneider vom 23.03.07lesen mussten, der aus unserem mg-express zum 18. März Zitate völlig sinnfrei rausklaut, um sie in seinem Text zu „Militante Kampagne in der Kritik“. Brandanschläge gegen den G8-Gipfel stoßen auf Ablehnung in der friedlichen Protestszene“ einzuflechten. Nun hat dieser mg-express gar nichts, aber auch überhaupt nichts mit dem Mobilisierungsversuch von militanten Zusammenhängen im Rahmen der G8-Proteste zu tun. Solche Bagatellen scheinen auch bei einem linken Journalisten übergangen zu werden, um sich an dem medialen Stricken einer de facto inexistenten „militanten Kampagne“ zu G8 zu beteiligen. Nur so nebenbei: es wuchert seit Wochen die Medienblase „militante Kampagne“ in den Gazetten, einige aus „unserem“ Spektrum scheinen sich auch darin ganz gut zu gefallen, wenn man sich so den einen oder anderen martialischen Aufruf vergegenwärtigt, der in der „Szene“ herumgeistert. Nur sollten wir nicht dem Selbstbetrug anheimfallen und das, was medialverbreitet wird, für tatsächlich halten. Ohne Schaffung der entsprechenden inhaltlichen, praktischen und organisatorischen Voraussetzungen einer „Kampagne“ ist es eine (bewusste) Irreführung, von einer solchen zu sprechen. Da sind wir ganz nah bei den Genossinnen vom Revolutionären Aufbau Berlin (RAB), die mit ihrem text „Militanz und G8-Gipfel in Heiligendamm 2007“ zu Recht einige Finger in die Wunde „militante Kampagne“ gelegt haben (Interim 648, 18.01.07).

Es gibt übrigens auch handfeste Gründe, weshalb wir uns in der Debatte um Mohnhaupt/Klar sehr zurückgehalten haben. Es wirkt auf uns gelinde gesagt sehr befremdlich, wenn Bundesanwalt Griesbaum mit den Worten zitiert wird: dass „Klar noch nicht da (ist), wo Mohnhaupt ist.“ In der besagten Aussage von(Die Welt) heißt es von dem Artikelschreiber weiter: „Letztere (Mohnhaupt, Anm. mg) habe sich ernsthaft mit ihren Taten auseinandergesetzt und sehe das Leid der Opfer und ihrer Angehörigen“. Wir müssen zugeben, dass das bei uns, wenn wir so etwas registrieren, einige Spekulationen auslöst, welche „Persönlichkeitsveränderungen“ gerade vor dem Hintergrund der Implosion des RAF-Gefangenenkollektivs 1993 bei Mohnhaupt eingetreten sein könnten. Ein Griesbaum ist nicht gerade dafür bekannt, dass er vorschnell mit einem „Lob“ zur Hand ist.

Ebenso ist das Stellen eines „Gnadengesuchs“ an den obersten Repräsentanten des BRD-Staates vor dem Hintergrund einer revolutionären Biographie nur sehr bedingt nachvollziehbar. Nachvollziehbar, wenn man die Jahrzehnte Knast berücksichtigt, die schleichend, aber sicher einen/eine kaputt machen. Allerdings gibt es auch unzählige Biographien von Genossinnen, die sich nicht auf einen wie auch immer zu Stande gekommenen Deal eingelassen haben – aus Prinzip!

In diesen Kontext der Irritationen passt auch der Sammelband „nach dem bewaffneten Kampf. Ehemalige Mitglieder aus der RAF und Bewegung 2. Juni sprechen mit Therapeuten über ihre Vergangenheit“, der vor einigen wenigen Wochen im Psychosozial-Verlag erschienen ist. In unserem inkreminerten mg-express haben wir vor dem Hintergrund, dass aktuell systematisch eine Geschichtsumschreibung von ’68, Militanz und bewaffnetem Kampf in der BRD vorgenommen wird, geschrieben, dass dagegen von unserer Seite aus einzuschreiten ist. „Vor allem auch dann, wenn ehemalige Aktivistinnen die „Aufarbeitung“ des bewaffneten Kampfes heute nur noch als individualpsychologischen und therapeutischen Bewältigungsakt betrachten können“. Daraus wird ersichtlich, dass wir ehemalige Aktivistinnen aus den Stadtguerillaprojekten der BRD keinesfalls unisono politisch unterstützen oder denen gar blind nacheifern. Im Gegenteil. Jene, die sich „geläutert“ zeigen und mit „dem Abstand der Geschichte“ ihre „Untaten“ bereuen, sind Teil des Problems der Denunziation revolutionärer Politik in den verschiedenen Phasen der Existenz der BRD.

Es geht aus unserer Sicht um keine unreflektierte, simple Kopie einer vergangenen Stadtguerilla-Form. Wir haben im Rahmen des komplexen revolutionären Aufbauprozesses gerade die Reflexion von verschiedenen organisatorischen Modellen des bewaffneten Kampfes (insbesondere Miliz-Konzepte) und ihre gesamtgesellschaftlichen Voraussetzungen ganz weit obenauf die Agenda gesetzt, weil man ohne Kenntnisgrundlagen dazu verdammt ist, Fehler in einer Endlosschleife zu wiederholen.

Wir setzen dagegen auf den Aufbau stabiler Strukturen, die Ergebnis der von uns vorgenommenen Analysen sind und nicht bei dem ersten Windstoß der Repression wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Das Braucht Zeit, mehr Zeit als wir anfangs in unserem euphorischen Leichtsinn dachten. Aber diese Zeit des Aufbaus werden wir uns nehmen, da unser Plus ist, dass in den vergangenen Jahren kontinuierlich Grundlagen geschaffen wurden, die nicht mehr mit einem einfachen Wisch vom Tisch zu fegen sind.

Um zur Ausgangsfrage der Zwischenüberschrift zurückzukehren: Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass offensichtlich aus eindeutig Formuliertem das glatte Gegenteil konstruiert werden kann, wie wir anhand einiger Beispiele aus unserem aktuellen mg-express zeigen durften. Dagegen ist auch kaum ein Kraut gewachsen. Aufgabe ist es, den Interpretationsspielraum für Lug & Trug so eng und die jeweiligen AdressatInnen so konkret wie möglich zu halten. Aber wie gesagt, wenn der politische Wille besteht, ein „Selbstbezichtigungsschreiben“ inhaltlich völlig umzukrempeln, wird dies auch gemacht.

Daraus kann nicht folgen, „heiße Eisen“ nicht anzufassen. Gerade in Bezug auf „Dreißig Jahre Deutscher Herbst“ wollen wir ausdrücklich dazu anregen, dieses Themenfeld zum Fokus zu machen, da wir dabei sind, auf diesem Terrain kräftig an Boden zu verlieren. Der Kampf um die Geschichtshegemonie und das Definitionsmonopol fällt zusammen mit der Verteidigung revolutionärer Politik an und für sich, nicht nur, aber auch der Legitimität des bewaffneten Kampfes. Es versteht sich im Rahmen des komplexen revolutionären Aufbauprozesses von selbst, dass „Verteidigung“ keine debile Wiederholung des Gewesenen sein kann und sein wird. Eine solche wäre eine weit schlimmere Preisgabe des wirklichen Inhalts revolutionärer Politik als es die biografische Revision durch ehemalige Aktivistinnen der Stadtguerilla zu versöhnlerischen, braven Staatsbürgerinnen vermag.

Das, was an der Politik der Stadtguerillaprojekte der BRD zu kritisieren und zu verwerfen ist, werden wir kritisieren und verwerfen. Allerdings überlassen wir diesen Prozess keinen staatlichen Instanzen, pseudo-sozialwissenschaftlichen Schreibtischtätern oder Konvertiten aus dem vergangenen bewaffneten Kampf, die – zugegeben – aktuell deutlich an Oberwasser gewonnen haben, um antagonistische Politik ein für alle mal abzuwickeln. Aber auch hier gilt: Abgerechnet wird am Schluss!

Für eine militante Plattform – für einen revolutionären Aufbauprozess – für den Kommunismus!

militante gruppe (mg) 11. 04.2007