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23. November 2001 | militante gruppe (mg)

Interim Nummer 539 vom 29. November 2001, Seite 18 bis 20

Ein Debattenversuch der militanten gruppe (mg)

Wir hatten Mitte/Ende Juni 2001 mit drei Erklärungen unsere Angriffe gegen Exponenten der „Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft“ (Versenden von scharfen Patronen an Lambsdorff, Gentz und Gibowski) und gegen die Mercedes-Benz-Niederlassung beim DaimlerChrysler-Werk in Berlin-Marienfelde als Unterstützung für die legitimen Rechte und Forderungen der ehemaligen Zwangsarbeiterinnen der nazistischen Vernichtungsmaschinerie begründet (vgl. Interim Nr. 529, 28.6.01).

Hierzu gab es neben Artikeln in der bürgerlichen Presselandschaft einige Anmerkungen in den Folgeausgaben der Interim (vgl. Nr. 529 im Vorwort, Nr. 533 in der Anschlagserklärung der „revolutionaeren aktion carlo giuliani“ und Nr. 534 in der Anschlagserklärung gegen die IG Farben „in Auflösung“).

Der eigentliche Anlaß für diese Zeilen ist allerdings der Artikel in der Interim Nr. 537, der von militanten AktivistInnen verfaßt wurde, die sich u.a. zu Anschlägen gegen die Sanierungsgesellschaft s.t.e.r.n. und gegen Siemens-Firmenfahrzeuge bekannt haben. In diesem Text sind einige Aspekte gestreift und einige Überlegungen angestrengt worden, auf die wir reagieren möchten. Liebe GenossInnen, wir haben drei exemplarische Passagen Eures Textes herausgefiltert, um dann jeweils einige Anmerkungen unsererseits zu liefern:

1. „(wir hatten) nur selten den eindruck, leute zu aktionen angestiftet zu haben.“

Dieser Anspruch der „NachahmerInnenschaft“ von durchgeführten Aktionen schwingt bei jeder militante und/oder bewaffnete Gruppe mit. Alle sind bestrebt, das ihre Thematik und Aktionsformen aufgegriffen werden, und das sich über diesen Hebel die getroffenen inhaltlichen Positionen verbreiten und die gewählten praktischen Optionen „vermassen“. Die Erfahrungsgeschichte militanter und bewaffneter Praxis zeigt allerdings, das dieser simple Mechanismus von „Aktion-Verankerung-Vermassung“ nicht per Akklamation herbeiführbar ist. Der nachvollziehbare Anspruch, das eigene Themen und praktische Mittel von anderen aufgegriffen werden, kann für eine militante Politik gerade in der Anfangsphase nicht die oberste Priorität haben. Entscheidender ist es zunächst, Ansätze einer konzeptionelle Grundlage und Linie als Gruppe gefunden zu haben, die mensch in seinen Aktionserklärungen publiziert. Ihr müßt Euch selbst fragen lassen, ob Ihr in den Jahren Eurer militanten Aktivitäten erkennbar und ausdrücklich zu den Inhalten und Praxen anderer Gruppen/Organisationen Verbindungslinien hergestellt und diese für die radikale Linke diskutiert habt.

In den vergangenen Jahren sind eine Fülle von Beiträgen oder gar ganzen Broschüren entstanden, die einen Debattenaufruf enthalten und eine „NachahmerInnenschaft“ offen oder latent einfordern. Allen ist es offensichtlich nicht gelungen, diesen (pädagogischen) Anspruch selbst zu erfüllen. Es mangelt also nicht an derlei formulierten Ansprüchen und Appellen. Eine gegenseitige Bezugnahme kann nur realisiert werden, wenn wir als militante AktivistInnen künftig die Verbindungslinien zu anderen militanten Gruppen und deren Aktionen herstellen, indem wir ihre Beiträge in die eigene Thematisierung und Aktionsform aufnehmen und diskutieren sowie eine eigene Positionierung erarbeiten. Nur so läßt sich (unter Umständen) ein aufeinander bezogenes militantes Agieren an gemeinsam diskutierten Strängen umsetzen. Und nur so demonstrieren wir ein reales Interesse aneinander.

Neben der fehlenden gegenseitigen Bezugnahme unter militanten Zusammenhängen sind wir mit einem weiteren Problem der mangelnden Resonanz konfrontiert. Wir hängen uns alle mehr oder weniger stark an Themen ran, die innerhalb der radikalen Linken und in Teilen der „übrigen Gesellschaft“ eine gewisse Bedeutung haben. Oft bilden wir quasi das radikale Ärmchen dieser Bewegungstendenzen und reagieren geradezu reflexhaft auf „da bewegt sich was“. Wir gehen dann davon aus, das unsere, natürlich immer gut gemeinten militanten Flankierungsmaßnahmen von den Basisbewegungen durch Beachtung honoriert werden. Eure Aktionen gegen Umstrukuturierungsmaßnahmen in proletarischen Stadtvierteln (s.t.e.r.n.) als auch gegen die kapitalistische Atomlobby (Siemens) sind Beispiele für ein derartiges Agieren, das uns übrigens nur allzu vertraut ist.

Wir befinden uns hier in einem nur schwer auflösbaren Dilemma, einerseits sollen unsere Inhalte und Aktionen nach Möglichkeit in Basisbewegungen integriert sein, andererseits begeben wir uns in ein mitunter gefährliches Abhängigkeitsverhältnis von Bewegungsmechanismen, die wir kaum beeinflussen können. Dabei muß uns allen bewusst sein, das Bewegungstendenzen und Basisstrukturen notwendigerweise großen Konjunkturschwankungen unterliegen und nicht der alleinige Indikator für die Legitimität von Aktionen sein können; mehr noch, Bewegungen oder „Szenen“ können aufgrund Ihrer inhaltlichen, organisatorischen und personellen Pluralität nicht unser ausschließlicher „Resonanzboden“ sein. wir müssen mit eigenen konzeptionellen Vorstellungen den engen Rahmen der jeweils aktuellen „Szene-Befindlichkeiten überschreiten und uns mittelfristig gesellschaftlichen Sektoren zuwenden, die wir als radikale Linke zu lange arrogant ignoriert haben.

Damit leugnen wir nicht unsere „Bezugsquelle“, die wir in linken Bewegungsformen sehen. Im Gegenteil, unsere Aufgabe ist es, selbst Kraft und Energie in Basisstrukturen zu stecken, um in diesen Positionen von militanter und/ oder bewaffneter Politik zu etablieren. Wichtig ist nur, dass wir nicht in einer „Bewegungsfixiertheit“ verharren, sondern unser alltägliches soziales Umfeld ins Blickfeld bekommen.

Dass für die Propagierung unserer politischen und ideologischen Ansätze die bürgerliche Presse nur schwer zu funktionalisieren ist, ist wohl nicht sehr überraschend (Zensur, bewußte Verzerrung etc.). Auch hier haben wir keine andere Möglichkeit, als eigene Medien zu entwickeln, die über eine Reichweite über den Tellerrand der radikalen Linken hinaus verfügen. Die Idee einer Internet-Präsenz von militanter und bewaffneter Politik, die von „militant manifesto“ (vgl. Interim Nr. 538, 15.11.01) vorgestellt wurde, kann eine Option sein, um über solch ein Medium auf inhaltlicher Basis politisch zusammen zu kommen.

2. „leider gibt es auch keine koordination mit anderen gruppen, was die auswahl möglicher ziele angeht.“

Die fehlende Koordination unter militanten Gruppenstrukturen hängt u.a. stark mit der mangelnden gegenseitigen inhaltlichen Bezugnahme ab. Uns stehen zwei Wege offen, um zu einer koordinierten Abstimmung der inhaltlichen, praktischen und organisatorischen Positionen zu kommen:

a) Wir befinden uns in einem organisatorischen Zusammenhang von zwei oder mehr militanten Gruppen, was einen direkten Austausch unter den AktivistInnen ermöglicht und eine strukturelle gruppenübergreifende Vernetzung darstellt.

b) Unabhängig voneinander agierende militante Gruppen müssen über gemeinsam geführte Debatten in einer dafür geeigneten Zeitschrift zu einem Positionsabgleich und einer -annäherung kommen. Hierbei handelt es sich dann nicht um eine direkte strukturelle Vernetzung, sondern um ein „informelles“ Zusammenkommen durch Diskussion und gegenseitige Bezugnahme bei Aktionen. Dass unsere Strukturen in der Lage sind, dauerhaft gruppenübergreifende Projekte zu sichern, zeigt(e) die „radikal“ als publizistisches Forum militanter Politik. Vor dem Problem einer effektiven Vernetzung steht allerdings die Klärung über den Charakter einer militanten Gruppe. Was sind militante Gruppen, die es zu koordinieren, zu vernetzen gilt?

Militante Gruppen sind in erster Linie – wie oben skizziert – der aktionistische Arm von (legalen) Basisprozessen, quasi ein „Basisanhängsel“, das den Part der bewußten (strafrechtlichen) Grenzüberschreitung übernimmt. Militante Strukturen waren zu Zeiten der Stadtguerilla eine Art von organisatorischem Verbindungsstück zwischen Basis und Guerilla. In beiden Fällen wären wir als militante Gruppen in weiten Teilen politisch „unselbständig“, immer abhängig von oftmals unkalkulierbaren Basisprozessen oder den programmatischen Veränderungen der Politik der Guerilla.

Unserer Ansicht nach muß es darum gehen, als militante Gruppen zu einem eigenständigen Faktor zu werden, zu einer eigenständigen Widerstandsebene mit einer definierten politischen Ausrichtung in einem komplexen Organisierungsprozeß. Dieser Organisierungsprozeß muß alle Widerstandsebenen (Bewegung, militante Gruppen, Guerilla, revolutionäre Parteistruktur) beinhalten.

Dabei können wir von GenossInnen in anderen (westeuropäischen) Ländern lernen, die bereits in ihrer Widerstandsgeschichte wesentliche Schritte vorwärts (einschließlich ihrer Brüche und Niederlagen) gemacht haben. Hier kann die Politik von Organisationen und Befreiungsbewegungen von Bedeutung sein, die ein umfassendes strukturelles Netzwerk geschaffen haben (vgl. Broschüre „triple oppression & bewaffneter Kampf“). Diese Organisationen haben sich u.a. als revolutionäre Partei formiert (bzw. arbeiten in diese Richtung). Es liegt an uns, die Erfahrungswerte dieser Organisationen zu diskutieren und unsere Phobie bspw. vor Prozessen eines Parteiaufbaus zu hinterfragen.

Um zu einer Koordination unter militanten Gruppen zu kommen, müssen wir unsere Politik inhaltlich-praktisch aufeinander aufbauen. Das geht natürlich nur, wenn sich die Gruppen in eine nachvollziehbare Kontinuität begeben. D.h., u.a. von der ständig wechselnden Namensgebung Abstand zu nehmen und über eine Namenskontinuität nach und nach eine politische Linie zu formulieren und für andere diskutierbar und unterstützbar zu machen.

Wir kennen natürlich die Gründe, die in der autonomen Linken gegen einen „Markennamen“ herangeführt wurden und werden. Diese namentliche Diskontinuität korrespondierte unseres Erachtens mit einer thematischen. Oft wurde und wird bezugslos punktuell militant agiert, ohne politisch-praktisch nachzusetzen und Brücken zu vergangenen Kampfprozessen zuschlagen. Wir kennen das aus unserer eigenen langjährigen militanten Praxis. Deshalb haben wir uns auch entschlossen, unsere militante Politik in einen kontinuierlichen inhaltlichen und praktischen Rahmen zu stellen.

Zudem ist festzustellen, dass die „no name-Variante“ für alle Politikfelder der autonomen „Szene“, ob klandestin oder nicht, charakteristisch ist (mit wenigen Ausnahmen wie die autonome lupus- oder afrika-Gruppe). Diese oft als „Programm“ ausgegebene Variante war dann nur der äußere Ausdruck einer strukturell angelegten politischen Diskontinuität und Kurzlebigkeit vieler autonomer Zusammenhänge.

Der potentiell größer werdende Repressionsdruck ist ein nicht leugbarer Effekt einer Namenskontinuität; es ist eine politische Entscheidung einer Gruppe, ob sie sich aufgrund ihrer (Grenz-)Erfahrungen für diesen Schritt entschließt oder nicht. Es geht dabei nicht um vermeintliche Reputationsgewinne, die mensch mit einem „Markennamen“ erzielt, sondern um bessere Ausgangsbedingungen, um einen komplexen Aufbauprozeß der revolutionären Linken in der BRD zu befördern.

Liebe GenossInnen, aus dem bisher geschilderten wird Euch nicht entgangen sein, dass wir Eure Entscheidung „vorübergehend ohne anschließende erklärung zu agieren“ für politisch fatal halten. Die Vermittlung der politischen Zielsetzung einer militanten Aktion verlangt eine Erklärung – ob mit oder ohne Namenskontinuität. Die Vermittlungsebene per Erklärung komplett wegfallen zu lassen, bedeutet 50% der Aktion nicht umzusetzen. Wenn Vermittlungsprobleme aufgetreten sind, dann müssen doch eher Überlegungen her, wie diese zu beheben sind und nicht, diese einfach aus dem Aktionsvorgang zu streichen.

Klar, dass sich unsere gewählten Aktionsformen nach Möglichkeit immer selbst vermitteln sollen. Hier treffen wir aber auf Grenzen, denn nicht jeder militante Angriff – für sich allein stehend – kann unmittelbar in einen inhaltlichen Kontext gebracht werden. Und hier kommt die Erläuterung in Form eines Textes ins Spiel. Bei Anti-Castor-Aktionen war dies auch ohne Erklärung zum Teil der Fall. Allerdings haben Erklärungen immer auch die Aufgabe, zumindest innerlinke Diskussionen zu fördern und weitere Gedankengänge zu einer Thematik hinzuzufügen.

3. „ob es von uns hier zu einer steigerung der mittel kommt, hängt auch davon ab, ob wir damit völlig isoliert wären oder nicht.“

Diese Aussage steht doch in einem gewissen Kontrast zu der „vorübergehend ohne anschließende erklärung zu agieren.“

Eine Debatte um die „Wahl der Mittel“ flackert periodisch innerhalb der radikalen Linken auf, ohne dass konzentriert und langfristig nach gemeinsamen und unterschiedlichen Positionen darüber gerungen worden wäre. Wir nehmen uns hier logischerweise nicht aus, sondern erklären uns diese mangelnde Konzentration in der Diskussion u.a. mit der mangelnden Kontinuität von militanten Gruppenstrukturen. Es ist klar, dass kurzlebige oder sporadisch militant agierende Zusammenhänge keine intensiven gruppeninternen Diskussionen führen können und werden, die dann auch noch nach außen transportiert werden.

Wir denken, dass wir als militante AktivistInnen noch unter dem Eindruck der Auflösungserklärungen von RZ, RAF, Komitee stehen, da zum einen eine organisatorische und logistische Basis weggebrochen ist, und zum anderen militante und bewaffnete Interventionen, die in den 70er und 80er Jahren zum Standard der revolutionären Linken zählten, nicht mehr praktiziert werden. Allerdings denken wir auch, dass einiges an Reflexionsarbeit, die nach den Auflösungen militanter und bewaffneter Strukturen und den „weltgeschichtlichen Veränderungen“ des letzten Jahrzehnts erfolgten, geleistet wurde. Wir gehen sogar davon aus, dass die Fülle der Aufarbeitungen militanter und bewaffneter Politik der letzten Jahre von den aktuell militant Agierenden nicht ausreichend für die eigene Politik bearbeitet wurde, geschweige denn die Erfahrungen der revolutionären Kämpfe der 60er und 70er Jahre weltweit.

Wir befinden uns in einer paradoxen Situation, einerseits über die Fähigkeit der umfassenden Reflexion von militanter und bewaffneter Politik zu verfügen, andererseits es aber nicht zu schaffen, diese in aktuelle militante und bewaffnete Kämpfe einzubauen.

Selbst plausible Erklärungen für diese paradoxe Situation sind gefunden worden: die Aufarbeitungen bewegen sich oft auf der Ebene einer individuellen Biographisierung vergangener revolutionärer Prozesse, da die alten Kampfzusammenhänge aus vielerlei Gründen nicht mehr bestehen und neue kontinuierlich arbeitende militante und bewaffnete Zusammenhänge strukturell nicht in der Lage sind, zu kollektiven Fragestellungen bspw. bezüglich militanter und bewaffneter Aktionsformen und deren Beantwortung zu kommen.

Wir haben mit der Verschickung von scharfen Patronen an Exponenten der „Stiftungsinitiative“ auf mehrere Punkte hinweisen wollen: Wir können gesellschaftliche Zustände, die wir aus ganzem Herzen bekämpfen wollen, nicht allein an anonymen Strukturen festmachen, wir müssen die maßgeblichen AkteurInnen identifizierbar und angreifbar machen. Hinter gesellschaftlichen Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen stehen reale Personen(-gruppen), die die herrschenden kapitalistischen, rassistischen, patriarchalen und imperialistischen Strukturen als Verantwortliche produzieren, die dann – soweit nicht dagegen effektiv opponiert wird – gesamtgesellschaftlich reproduziert werden.

Bei diesem verantwortlichen Personenkreis handelt es sich nicht um ein abstraktes und ominöses „soziales Kommando des Kapitals“ (vgl. Materialien für einen neuen Anti-Imperialismus), hinter dem die Akteurinnen verschwinden, sondern um benennbare Entscheidungsträgerinnen mit verschiedenen Funktionen, die aufgrund ihres politischen Handelns bspw. für die Perfektionierung des rassistischen EU-Grenzregimes stehen.

Unsere Praxismittel sind mit dem „ständigen abfackeln von Autos“ tatsächlich nicht an ihr Ende gekommen und können es auch nicht sein, wenn wir eine Perspektive eines umfassenden revolutionären Prozesses für uns in Anspruch nehmen.

Die Orientierung an Praxismitteln, die über den Rahmen von militanter Politik hinausgehen, schließen notwendigerweise eine intensive Diskussion über vergangene und aktuell geführte bewaffnete Kämpfe ein. Unser Interesse ist, zu einer „Normalisierung“ in unseren Diskussionen und unserer Praxis als radikale Linke in der BRD zu kommen, dazu gehört selbstverständlich ein Verhältnis nicht nur zu den Potentialen und Grenzen von militanten Politikformen, sondern auch zum bewaffneten Kampf zu finden. Es ist eine Diskussion, wie wir in Etappen von dem Angriff auf materielle Objekte zum Angriff auf verantwortliche Subjekte kommen. Dabei liegt im Zusammenhang mit der Aufbereitung der rz-Politik einiges an Material vor (Stichwort: Knieschüsse) und auch im Antifa-Bereich sind Angriffe gegen Personen durchaus akzeptiert.

Diese Überlegungen haben nun wirklich nichts damit zu tun, „ungenau und diffus“ (vgl. Interim-Vorwort, Nr. 529) zu sein und sind auch kein „Ausdruck einer nachvollziehbaren Ohnmacht“ (ebd.), sondern sind für uns Bausteine einer Diskussion über revolutionäre Politik und deren Umsetzung in den Metropolen.

Die Debatte um eine Erweiterung der Interventionsmittel für RevolutionärInnen ist in jeder Hinsicht gerechtfertigt, denn sie führt unweigerlich zu einer Beschäftigung mit Organisationen, die bewaffnete Politik praktizieren oder praktiziert haben. Sie führt zu einer Beschäftigung mit verschiedenen Organisationsgeschichten, die gleichzeitig auch Geschichten über gesellschaftliche Voraussetzungen und Situationen des bewaffneten Kampfes sind.

Dabei werden wir auf durchdachte Argumente für die (Wieder-)Aufnahme von bewaffneten Aktionsformen stoßen, wie auf Gegenpositionen. Es wird u.a. ganz konkret darum gehen, ob und inwiefern politische Liquidationen von Entscheidungsträgerinnen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft von Zeitströmungen unabhängige Mittel des revolutionären Kampfes sind, oder nur in bestimmten Phasen von Bewegungshochs legitim sind. Es ist eine Form der „debattenmäßigen Selbstentwaffnung“, wenn das Verschicken von scharfen Patronen und die immanente Drohung der Liquidation mit dem Hinweis, es entspräche nicht „dem jetzigen Stand der Auseinandersetzung (...), weil sie weder breit getragen würde noch materiell etwas verändern würde in Bezug auf die Forderungen der NS-Opfer“ (vgl. Interim, Nr. 534, 20.9.01, S.19) quittiert wird.

Es ist sowohl für uns als auch für Euch nicht möglich, irgendeinen kollektiven Auseinandersetzungsstand zu qualifizieren. Wir könnten jetzt die Vielzahl von Beiträgen, Broschüren und Büchern anführen, die in den letzten Jahren erschienen sind, in denen sich mit der Geschichte und Gegenwart von revolutionärer Politik in der BRD und weltweit befaßt wird. Es kann hier kein einheitlicher „Stand der Auseinandersetzungen“ benannt werden, diese Auseinandersetzungen sind beständig im Fluss und ihre „jeweiligen Stände“ unterliegen der Interpretation.

Keine punktuelle militante oder bewaffnete Aktion wird grundlegend „materiell etwas verändern“, unsere nicht und auch Eure nicht. Wir haben uns alle zu fragen, wie wir zu einem inhaltlichen, praktischen und organisatorischen Faktor werden können, um tatsächlich diese angestrebten „materiellen Veränderungen“ des gesellschaftlichen Gefüges zu bewirken.

Nach dem 11. September sehen wir uns zudem mit einer Situation konfrontiert, die in ihren Auswirkungen für den revolutionären Widerstand in den Metropolen noch nicht zu fassen ist. Der im großen Stil im Ausbau begriffene staatliche Repressionsapparat und die Diskreditierung von Sozialrevolutionären und antiimperialistischen Kämpfen erfordert es um so mehr, dass wir in unseren Handlungen zu einem hohen Grad an Organisiertheit kommen.

Gefreut haben wir uns über den Brandanschlag gegen die Mercedes-Benz-Niederlassung in Magdeburg der „revolutionaeren aktion carlo giuliani“, die wesentliche Teile unserer Argumentation bezüglich der geschichtlichen und gegenwärtigen Rolle des DaimlerChrysler-Konzerns aufgegriffen und selbst militant agiert hat. Sie schrieben: „unsere aktion ist ausdruck unserer wut & trauer, auch wenn sie unserem hass auf die verhältnisse und dieses system, das auf uns schießen läßt, nicht ansatzweise gerecht wird. ab jetzt wird wieder zurück geschlagen (...).“

Diesen Ausdruck, selbst initiativ zu werden und eine militante Politik umzusetzen, können wir nur mit Nachdruck unterstützen.

Ein konkretes Diskussionsangebot:

Wir möchten den GenossInnen des Textes aus der Interim Nr. 537 (und allen, die es wollen und die Zeit dafür aufbringen können) vorschlagen, die Punkte, die wir aus Euren Aussagen gezogen haben weiter zu diskutieren. Es ist für uns ein Versuch, den wir gerne eingehen möchten. Damit wir dem Ansatz entsprechen, aufeinander aufbauend inhaltlich-praktisch zu arbeiten, sollten wir uns einige hilfreiche Diskussionspapiere der letzten Jahre als erweiterte Grundlage nehmen. Wir denken an folgende Papiere:

Wir bitten Euch, dass Ihr uns über die Interim eine kurze Nachricht gebt, ob Ihr zum einen überhaupt in einen Dialog mit uns treten wollt, und zum anderen, ob Ihr das Medium Interim dafür geeignet haltet.

Wir betrachten dabei die Eröffnung eines Diskussionsraumes, um die von Euch angestrebte inhaltliche und praktische Koordination zu erzielen, als einen Beitrag für eine künftige militante Offensive.

Mit kämpferischen und solidarischen Grüßen,

militante gruppe (mg), 23.11.2001